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Ins Herz der Seidenstraße (August 2006)

Wer erinnert sich nicht mehr an die Fernsehübertragung im März 2001,als man live miterleben konnte, wie die Buddha-Statuen (55 Meter und 33 Meter) in Afghanistan von den Taliban gesprengt wurden. Während der Schock bei den Menschen in der Welt tief saß, feierten die Taliban die Zerstörung der 1700 Jahre alten unislamischen Monumente in den Straßen Kabuls und verkauften Fotos ihrer „Heldentat“. Aber nicht nur in der jüngsten Vergangenheit war Bamiyan ein symbolischer Ort für den Kampf der Kulturen. An diesem Kreuzungspunkt der Handelswege in Zentralafghanistan prallen seit jeher Weltreligionen und Machtinteressen aufeinander. Eroberer wie Alexander der Große und Dschingis Khan haben hier ihre Spuren hinterlassen. Afghanistan (und ganz besonders Bamiyan) ist für uns das „Herz der Seidenstraße“, das eines der Hauptziele unserer Reise ist.


Bild: Leere Buddha Nische

 

Früh morgens starten wir von Kabul Richtung Norden, denn wir haben uns für die sichere Nordroute über den 2987 Meter hohen Shibar Pass nach Bamiyan entschieden. Insgesamt liegen nur 240 km - davon aber 160 km staubigste Off-Roadpiste – vor uns, was eine Fahrzeit von ca. 10 Stunden bedeutet. Die nördliche wie auch die südliche Strecke sind nicht nur landschaftlich und kulturhistorisch interessant, sondern waren auch wichtige Handelswege der Seidenstraße. Immer wieder finden wir Relikte dieser Zeit entlang unserer Piste: Karawansereien, Wachtürme und Burgen. Die Ruinen von Shahr-e-Zohak (Rote Stadt) liegen auf einem strategisch günstigen Berg, von dem die Täler der Nord-Südroute und der Ost-Westroute vollständig einzusehen sind. Als hier der Enkel von Dschingis Khan getötet wurde, nahm sein Großvater 1221 grausame Rache und zerstörte das ganze Tal. Überall wurden Männer, Frauen, Kinder und alle Tiere getötet. Auch die Zitadelle von Shar-e Gholghola wurde als letzte Bastion gegen die Mongolen von ihm zerstört.

Bild: Karawanserei Bild: Festung
   
Bild: Shahr-e-Zohak Bild: Shar-e-Gholghola

 

Militärischer Schrott und Heldengräber sind als stumme Zeugen der jüngsten Vergangenheit allgegenwärtig. Mahnmale für eine friedliche Zukunft Afghanistans.

Bild: Kriegsschrott Bild: Über den Pass

 



Bild: Heldengräber

Bevor man das Tal von Bamiyan erreicht, fährt man durch eine faszinierende Canyonlandschaft. Mittlerweile sind wir auf einer Höhe von nahezu 2500 Metern unterwegs und genießen die angenehm kühle, frische Luft. Im Winter ist diese Strecke durch Zentralafghanistan bis nach Herat wegen Schnee und Schlamm häufig unpassierbar.

Bild: Durch enge Schluchten Bild: Bamiyantal
   
Bild: Siedlung Bild: Gegenverkehr
   

 


Bamiyam war Knotenpunkt und Drehscheibe der transkontinentalen Handelswege: Seide aus China, Elfenbein aus Indien und Glas aus Alexandria. Verschiedene Religionen bestanden hier nebeneinander und der Buddhismus konnte sich von Indien über Baktrien bis nach China ins Tarim-Becken ausdehnen. Im 4. Jht. n.Chr. entstand in Bamiyan ein künstlerisches und religiöses Zentrum und wurde eine der wichtigsten Pilgerstätten der Welt. Der chinesische Mönch Xuan Zang beschreibt die Buddha-Statuen und die vielen Felsenhöhlen im 7. Jht. n. Chr. nicht nur bunt bemalt, sondern sogar vergoldet. Er berichtet auch von einer dreihundert Meter großen, liegenden Buddhastatue, nach der im Moment Archäologen aus verschiedenen Ländern suchen.
Wenn auch eine Pilgerstätte der etwas anderen Art, so war Bamiyan während der Hippy-Zeit vor 30 Jahren ein wichtiger Stop auf dem Weg nach Kabul, Nepal, Indien oder weiter bis nach Bali. Direkt vor den Buddhastatuen lag damals der Bazar, wo sicher buntes Treiben herrschte. Heute sind dort leider nur noch Ruinen zu sehen, da auch der Bazar von den Taliban zerstört wurde.

Bild: Bazarruinen Bild: Islam versus Buddhismus

 

Im Bamiyantal leben die Hazaras, eine der vielen ethnischen Gruppen Afghanistans, die aufgrund ihres Aussehens als Nachfahren der mongolischen Eroberer gelten und bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder schlimmen Verfolgungen durch die anderen afghanischen Volksgruppen ausgesetzt waren. Als die Taliban 1998 Bamiyan einnahmen, hatte die Bevölkerung sehr zu leiden und ist aus ihren Häusern in die Berge geflüchtet. Mit der Unterstützung diverser Hilfsorganisationen versuchen die Menschen jetzt wieder zum normalen Alltagsleben zurück zu finden.

Bild: Hazaras Bild: Frisches Brot



Bild: Zurück zur Normalität

Auf die vielen gefährlichen Landminen wird man auch in dieser Region immer wieder hingewiesen. So werden Landstriche, die von Minen gesäubert wurden mit weiß bemalten Steinen gekennzeichnet und rote Steine weisen auf lebensgefährliche Regionen hin. Vor unserer Reise nach Bamiyan haben wir uns in Kabul intensiv über die Gefahren durch Minen bei der Organisation für die Minenbeseitigung in Afghanistan (OMAR) informiert. Leider sind uns in Zentralafghanistan viele interessante Wege durch diese roten Steine versperrt worden.

Bild: Minensuche überall Bild: Achtung Minen


Bild: Minentypen

 

Von Bamiyan fahren wir noch 75 km weiter in die Berge und erreichen in einer völlig kargen, wüstenähnlichen Landschaft die fünf Seen von Band-e Amir. Durch natürliche Dämme mit etlichen Wasserfällen sind sie von einander getrennt. Faszinierend sind die verschiedenen Farben der Seen von dunkelblau über türkis bis grün, die durch unterschiedliche Mineralien und Wassertiefen sichtbar werden. Wir schlagen unser Camp direkt am Rand des großen Dammes auf, um dieses Naturschauspiel hautnah miterleben zu können.

Bild: Seecamp 1 Bild: Seecamp 2
   
Bild: Band-e Amir 1 Bild: Band-e Amir 2
   

 



Bild: Naturdamm

Die Fotos können nur einen Bruchteil der Schönheit und Stimmung von Band-e-Amir widerspiegeln. Für uns gehört diese Seenlandschaft zu den weltweit schönsten Orten und es ist ein sehr gutes Zeichen, dass auch an dieser Stelle die touristische Normalität in den afghanischen Alltag zurückkehrt.


Bild: Neuer Tourismus

Zurück in Kabul gilt es, unsere weiteren Aktivitäten mit der Kinderhilfe Afghanistan abzustimmen. Die Sicherheitslage in den Ostprovinzen (insbesondere Khost aber auch Jalalabad / Nangarhar) hat sich in den letzten Monaten leider weiter verschlechtert. Eine Reise mit unserem eigenen (sehr auffälligen) Fahrzeug in diese Gegend ist undenkbar und würde sowohl die Schulprojekte, als auch uns gefährden. Wir suchen jetzt nach einer praktikablen Alternative und natürlich auch nach den Gründen für diese schwierige Situation in Afghanistan. Hierbei sind wir auf sehr interessante Erkenntnisse gestoßen, die in unseren westlichen Medien allenfalls als Randnotiz auftauchen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden wir unsere Eindrücke und Erkenntnisse aus verschiedenen Quellen zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle zusammenfassen.