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Zurück über Sibirien und Kasachstan (Juni 2007)

Wir haben uns entschlossen, einen dreiwöchigen Umweg von 3500 Kilometern durch Kasachstan in Kauf zu nehmen, um entlang der uns hier noch unbekannten Karawanenwege der Seidenstraße zu fahren.

Da die Mongolei keine direkte Grenze zu Kasachstan hat, können wir nur über Sibirien in dieses Land einreisen. Wegen eines Feiertages und technischer Probleme sitzen wir allerdings 34 Stunden an der mongolisch-russischen Westgrenze bei Tashanta fest, bis man uns endlich nach Russland einreisen lässt. Und wie überall in Russland und den ehemaligen Sowjetrepubliken erwartet uns wieder ein endloser Papierkrieg (Formblätter für die Ein- und Ausreise, Autoversicherung, Straßenbenutzungsgenehmigung) und nicht zu vergessen die Desinfektion und die Durchsuchung des Autos. Doch trotz Bürokratie und Sprachschwierigkeiten läuft alles sehr korrekt ab und man ist uns gegenüber immer sehr hilfsbereit. Auch bei der Registrierung unserer Visa, die man als Ausländer innerhalb von 72 Stunden nach Einreise erledigen muss, haben wir im nächsten Ort Glück und treffen auf sehr hilfsbereite Beamte.
Unsere weitere Route führt uns über den gut ausgebauten Chuysky-Trakt durch die Gebirgsregion des russischen Altaj. Wir können uns an dem vielen Grün der Wiesen und Bäume kaum satt sehen, denn nach dem Staub und Sand der Gobi-Wüste ist das mehr als wohltuend. So verbringen wir die nächsten Tage am Ufer des Katun-Flusses, um die notwendigen Überholungsarbeiten am Auto vorzunehmen und den letzten Abschnitt unserer Reise durch Kasachstan vorzubereiten. Die bekannte russische Gastfreundschaft lässt nicht lange auf sich warten und so sitzen wir gleich am ersten Abend bei einer kräftigen Suppe, gegrilltem Hammel und nicht zu vergessen viel Wodka mit russischen Anglern und Jägern zusammen.

Bild: Regenbogen Bild: Russisch-deutsche Freundschaft

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Die Einreise nach Kasachstan erledigen wir nach nur 90 Minuten völlig problemlos und müssen auch nicht lange fahren, um auf die ersten Spuren der alten Seidenstraße zu stoßen. In der Tiefebene des Flusses Jertis verlief einst der „Goldene Zweig der Seidenstraße“, eine Nebenroute, auf der Gold und Silber aus dem Altaj transportiert wurde.
Uns fallen sofort die vielen Plakate am Straßenrand auf, die den inzwischen auf Lebenszeit gewählten Präsidenten Nursultan Nazabajev in allen Lebenslagen mit den Errungenschaften des Landes abbilden. Es scheint, dass Nazabajev der 1991 unabhängig gewordenen, ehemals größten Sowjetrepublik (fünfmal so groß wie Frankreich) dem kürzlich verstorbenen turkmenischen „Alleinherrscher“ Turkmenbashi nacheifern möchte.
Dass wir uns wieder in einem überwiegend moslemisch geprägten Land befinden, wird uns an den vielen Moscheen und Mausolen deutlich. Überall sind die besonders verzierten hausartigen Gräber zu sehen, die sich wie kleine Siedlungen außerhalb der oft schmucklosen Stadt befinden.

Bild: Präsident Bild: Gräberstadt

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Auf dem Weg in die ehemalige Hauptstadt Almaty durchqueren wir sehr trockene Steppen- und Wüstenlandschaften, bevor wir die schneebedeckten Gebirgszüge des Altau und Tian Shan mit ihrem fruchtbaren Vorland erreichen. Almaty liegt malerisch eingebettet am Rand des Tian Shan. Uns überrascht der dort doch sehr hohe Lebensstandard und ein Preisniveau, das mit Westeuropa durchaus vergleichbar ist. Nach einem sehr netten Wiedersehen mit unserem Freund David Berghoff, der uns mit seiner kleinen Reiseagentur in Zentralasien schon oft mit Rat und Tat zur Seite stand, verlassen wir Almaty schnell wieder, um unsere Reisekasse zu schonen.

Bild: Kasachische Steppe Bild: Richtung Almaty
Bild: Tian Shan 1 Bild: Tian Shan 2

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Wie schon in Sibirien sind auch in Kasachstan die vielen Kontrollen auf der Straße auffällig. Man sollte sich tunlichst an die Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, auch wenn sie noch so unsinnig sind.

Südkasachstan ist nicht nur reich an wunderschönen Landschaften, wie Schluchten, Flüssen und den eisgekrönten Bergen den Tian Shan – es hat auch viele kulturhistorisch und architektonische Schätze zu bieten. So stoßen wir 80 km westlich von Almaty bei Tamgali, einer hügeligen Region, auf über 4000 sehr gut erhaltene Felszeichnungen, deren Alter zum Teil auf 3000 Jahre geschätzt wird. Jagd- und Hüteszenen, Gottheiten und Schamanen mit Sonnenköpfen, rituelle Handlungen, Tänze, Tiere wie Hirsche, Pferde, Schafe, Reiter, Kühe und Steinböcke sind dort zu sehen. Diese Region hat zurecht von der UNESCO den Status Weltkulturerbe zugesprochen bekommen.

Bild: Felszeichnungen 1 Bild: Felszeichnungen 2


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Für uns beginnt jetzt der eigentlich interessante Teil unserer Tour durch Kasachstan, denn entlang des Tian Shan und dann weiter Richtung Norden, dem Lauf des Syr Daria bis zum Aralsee folgend, verlief über 1700 km der nördlicher Strang der Seidenstraße. An dieser Trasse lagen einst bedeutende Handelszentren und Karawansereien.

Bild: Syr Daria Bild: Autofähre

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Von Taraz fahren wir weiter über Otrar, Turkistan und Sauran in Richtung Aralsk. Viele dieser ehemaligen Oasen- und Steppenstädte sind nach dem Einmarsch der Mongolen unter den Söhnen Dschingis Khans im Jahre 1219/20 dem Erdboden gleich gemacht worden, um das Land zwischen Amu Daria und Syr Daria zu kontrollieren. Mit welcher Brutalität die Karawanenstädte bekämpft wurden, wird uns bei dem Besuch von Sauran deutlich. Die Stadt konnte wegen der sieben Wälle von den Mongolen nicht so einfach erobert werden, so dass man die Bewohnen in den eigenen, belagerten Stadtmauern verhungern ließ. In der Stadt Otrar, einst eine der berühmtesten Städte an der Seidenstraße, gibt es leider auch nicht mehr viel zu sehen, obwohl Archäologen schon vor 100 Jahren hier begonnen haben Grundmauern und Schätze der damaligen Zeit freizulegen. An den Ausgrabungsstellen findet man als stumme Zeitzeugen der Zerstörung ein Gemisch aus vielen bunten Keramikscherben und Menschenknochen.

Bild: Sauran Bild: Otrar

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Die Stadt Turkistan erinnert uns mit ihren großen türkisen Kuppeln und den schönen blauen Fliesenornamenten an Samarkand und Buchara in Usbekistan. Timur ließ hier eine große Grabmoschee zu Ehren des Gelehrten Achmed Jassawi, der 1166 starb, errichten. Heute ist es eine wichtige Pilgerstätte für viele Gläubige.
Unser Besichtigungsprogramm in Taraz endet leider in der Zahnklinik. Andreas Zahn, den Ute vor einigen Tagen schon mit einer provisorische Füllung versehen hat, macht sich zunehmend bemerkbar. Erst will man uns in der Zahnklinik kurz vor dem Feierabend abwimmeln, doch schließlich nimmt sich die Oberärztin persönlich dem Leidenden an und setzt die Goldfüllung für 100 Tenge (umgerechnet 60 Euro Cent) wieder ein. Bei dem Honorar wundert es nicht, das die Ausstattung der Zahnklinik gelinde gesagt etwas abschreckend wirkt.

Bild: Turkistan Bild: Zahnklinik

 

Kasachstan ist aber auch für unseren Toyota eine echte Herausforderung, denn die Straßen sind in teilweise schlechten Zustand bzw. gar nicht mehr vorhanden. So verschwindet die M32 100 km hinter Aral für 180 km total und wir können zwischen der holprigen Off Road Piste oder der Sandpiste nebenan wählen. Beides ist extrem staubig und rüttelt Fahrer und Gepäck nochmals so richtig durch. Wir waren diesbezüglich glücklicherweise durch andere Reisende schon vorgewarnt. Trotzdem bricht der Stabilisator und das Auspuffrohr fällt ab. Mehr dazu unter „Pleiten, Pech und Pannen“.


Bild: Straße im Staub –M32

In der flachen Steppe ist es nicht immer einfach, ein passendes Nachtcamp zu finden. Wir sind um so erstaunter, dass es uns immer wieder gelingt, in ausgetrockneten Flussläufen, an kleinen Stauseen oder in versteckten Schluchten ein ungestörtes und windgeschütztes Plätzchen zu finden. Dabei sind die Zufahrten allerdings oft nicht ganz einfach und so legen wir schon das ein oder anderen Mal unsere Sandbleche, um Matsch- oder Sandpassagen zu überwinden.

Bild: Bleche im Einsatz Bild: Camp in der Steppe
 
Bild: Camp bei Aktöbe  

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Bei allem, was uns an Kasachstan doch sehr positiv beeindruckt hat, bleibt ein großer Schandfleck – die ökologische Katastrophe des Aralsees. Die Geschichte des Aralsees ist traurig, denn dieser See, der einmal so groß wie Bayern war (65.000 km²), ist heute gerade auf ein Drittel der ursprünglichen Größe geschrumpft, da die Zuflüsse des Amu Daria und des Syr Daria nur noch als Rinnsal im Aralsee ankommen. In der Stadt Aralsk, die einmal vom Fischfang lebte, lassen uns nur noch ein Schiffsfriedhof und das trockenen Hafenbecken etwas von diesem ehemaligen Flair erahnen.

Bild: Aralsee Bild: Hafen von Aralsk

Durch die starke Kanalbewässerung der zentralasiatischen Baumwollfelder und auch die hier völlig sinnlos angelegten Reisfelder, wird den beiden großen Strömen so viel Wasser entnommen, das zu wenig im Aralsee ankommt. Heute liegen verrostete Schiffe auf dem Seegrund, den man mit dem Auto auf staubigen Pisten befahren kann. Sozusagen viele Meter unter dem ursprünglichen Wasserspiegel finden wir Muscheln, die auf ein maritimes Leben vor fast 50 Jahren an dieser Stelle hinweisen.

Bild: Sinnlose Steppenbewässerung Bild: Seegrund


Bei Oralsk überqueren wir den Ural-Fluss und verlassen Kasachstan in Richtung Russland. Geographisch betrachtet haben wir seit 14 Monaten erstmals wieder europäischen Boden unter den Rädern. Trotz aller Anstrengungen hat sich der Umweg durch Kasachstan gelohnt und uns viele neue Eindrücke über die Seidenstraße vermittelt. Jetzt liegen „nur“ noch 2000 Kilometer vor uns, bis wir St. Petersburg erreichen werden. Als Route haben wir den Lauf der Wolga gewählt, die schon vor über 1000 Jahren als schiffbarer Handelweg zwischen dem Baltikum und dem Kaspischen Meer genutzt wurde.


Bild: Kasachin

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