Spiti – „Klein Tibet“ in Indien (Oktober 2006)
Die politischen Grenzen in Zentralasien machen unsere Reise entlang der historischen Seidenstraße in Zentralasien nicht gerade einfach. Jahrhunderte alte Handels- und Pilgerwege sind durch beliebige Grenzziehungen unterbrochen worden, was für uns oft erhebliche Umwege bedeutet. Im Norden von Pakistan und Indien kommt noch erschwerend hinzu, dass es wegen des Kaschmirkonfliktes keine offizielle Grenzziehung sondern nur eine Waffenstillstandslinie gibt, an der es vereinzelt immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommt. So ist es auch kaum verwunderlich, dass es in dieser nördlichen Region keinen Grenzübergang gibt und wir einen Umweg von über 600 Kilometern in Richtung Süden fahren müssen, um die pakistanisch-indische Grenze am einzigen Übergang bei Lahore / Wagah zu passieren.
Wir übernachten auf der pakistanischen Seite des Grenzüberganges, um uns das sehr theatralische Schauspiel der allabendlichen Schließung des Grenzüberganges anzuschauen. Viele Besucher verfolgen auf beiden Seiten der Grenze dieses Spektakel mit Volksfestcharakter. Man könnte meinen, das die Welt zwischen Pakistan und Indien in Ordnung sei.
Bild: Borderclosing
Movie: Borderclosing |
Am nächsten Morgen passieren wir dann ohne größere Probleme die Grenze und sind sehr erstaunt, wie gering der grenzüberschreitende Verkehr an dem einzigen Übergang zwischen Pakistan und Indien ist. In Indien fühlt man sich dann wie in eine andere Welt versetzt. Wir genießen die offene Lebensart der Menschen auf den Straßen und Basaren und brauchen auch einige Zeit, um uns auf diese neue Situation einzustellen. Frauen, die uns fröhlich zuwinken, sind zunehmend in der Öffentlichkeit wieder zu sehen. Die letzten Wochen in Pakistan während des Fastenmonats Ramadan waren für uns nicht ganz einfach, denn aus Rücksichtnahme haben wir bei Tageslicht nur im Verborgenen gegessen und getrunken. Ute kann es auch kaum glauben, dass sie nach mehreren Monaten ihr allgegenwärtiges Kopftuch ablegen kann und sich in der Öffentlichkeit im T-Shirt zeigen darf.
In Grenznähe befindet sich Amritsar, die heilige Stadt der Sikhs, wo wir zusammen mit einigen zehntausend Pilgern den Goldenen Tempel besuchen. Trotz der Menschenmassen erleben wir eine sehr friedliche und freundliche Stimmung.
Bild: Goldener Tempel | Bild: Amritsar |
Weiter geht es über Dharamshala (Mc Leod Ganj), dem Sitz der Exilregierung des Dalai Lama, in das nordindische Hochland. Seit unserem ersten Besuch 2002 hat sich der Ort wesentlich verändert. Überall wurden neue Hotels, Restaurants sowie Souvenirläden gebaut und indische Geschäftsleute haben die bei westlichen Touristen sehr beliebte „tibetische Kulturromantik“ als lukratives Geschäftsmodell entdeckt. Die Tibeter selbst erscheinen hierbei eher als willkommene Statisten.
Bild: Mc Leod Ganj | Bild: Tibet Business |
Unser erstes größeres Ziel ist das Spiti Tal, das unmittelbar an Tibet angrenzt und lange Zeit für Ausländer geschlossen war. Spiti war zur Blütezeit der Seidenstraße (10. und 11 Jht.) das Zentrum des Buddhismus im Himalaja und lag am Kreuzungspunkt wichtiger Handelswege. Die tibetische Kultur und Lebensart kann man in Spiti noch heute erleben, da es im Gegensatz zum „chinesischen“ Tibet nicht zerstört wurden. Sechs bis acht Monate im Jahr ist Spiti vom angrenzenden Kullutal abgeschnitten, da die hohen Pässe und Wege im Winter verschneit sind. Unser erster Versuch im Jahr 2002, Spiti von Manali aus zu erreichen, endete in den Schneemassen des Rohtang Passes (3980 Meter). Immerhin konnten wir damals auf der tibetischen Seite das ehemalige Himalajakönigreich Guge besuchen, zu dem auch Spiti und Zanskar gehörten. Leider fanden wir damals in Guge nur die Trümmer der chinesischen Kulturrevolution vor.
Dieses Mal haben wir auf unserem Weg nach Spiti mehr Glück. Nach einer Zwangspause wegen Regen (d.h. Schnee am Pass) campieren wir neben einer Berghütte der indischen Bergsteigervereinigung, bevor wir über den Rohtang Pass und den Kunzum Pass (4551 Meter) in zwei Tagesetappen nach Spiti starten können.
Bild: Rohtang Pass | Bild: Kunzum Pass |
Unser Besuch in Spiti fällt etwas kürzer aus, da der bevorstehende Winter uns sehr leicht den Rückweg abschneiden könnte - und wer überwintert schon gerne im Auto im indischen Himalaja. Die Nächte in unserem Dachzelt sind mit einigen Minusgraden auch schon sehr frisch und unsere neue Webasto Standheizung hat beschlossen, nur ab plus 8°C zu arbeiten. Ein Fall für unsere Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“.
Bild: Spiti Portal | Bild: Kaltes Camp |
Spiti liegt auf über 3700 Metern in einem sehr trockenen Hochtal, da es nicht mehr von den Monsunregen aus dem indischen Tiefland erreicht wird. Entlang des Spiti-Flusses finden wir eine grandiose Gebirgslandschaft vor.
Bild: Spit Tal
Überall im Spiti Tal sind prächtige Klöster, Chörten, Stupas und Wälle aus Manisteinen anzutreffen. In den Dörfern sind um diese Zeit die Dächer der malerischen, tibetischen Wohnhäuser schon mit dem Winterfutter für die Tiere sowie mit Yak- und Ziegendung zum Heizen aufgefüllt, die Felder sind abgeerntet und überall werden die letzten Vorbereitungen für den langen Winter getroffen. Mensch und Tier genießen jetzt die letzten wärmenden Sonnenstrahlen. So findet der Schulunterricht auch noch auf dem Schulhof statt.
Bild: Wohnhaus | Bild: Spiti-Frau |
Bild: Kibber Dorf | Bild: Dorfschule |
Besonders hat es uns das Kloster Ki angetan. Hoch über dem Tal auf einem Felsen gelegen, findet man dort neben alten gut erhaltenen Wandmalereien, Thankas (religiöse Gemälde auf Stoffen), heiligen tibetische Schriftrollen, Buddhastatuen und Stupas noch ein sehr lebhaftes Klosterleben vor. In der Klosterküche haben wir bei Buttertee Gelegenheit mit einigen Mönchen über den Alltag im Kloster zu plaudern.
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Mit vielen schönen Eindrücken treten wir unseren Rückweg in Richtung Norden nach Ladakh und Kaschmir in der Hoffnung an, dass wir schneller sind als der bevorstehende Winter.
Bild: Butterkerzen
Eine aktuelle Information ueber die Tatigkeit
der Kinderhilfe Afghanistan finden sie hier.