Alltag auf Reisen (Januar 2007)

Wie sieht unser Alltag aus?
Das scheint für viele Leser unserer Reiseberichte eine ganz wichtige Frage zu sein und so werden wir im Folgenden einfach mal darüber berichten.
Mit dem Abschied aus Deutschland haben wir unsere eingeschliffene Alltagsroutine zuhause zurückgelassen, um für 18 Monate ein Leben unterwegs zu führen. Hinzu kommen unsere selbst gesteckten Reiseziele - sowohl geographisch als auch inhaltlich mit unserer Projektarbeit in Afghanistan. Kurzum, unsere Monate auf der Seidenstraße sind alles andere als eine „nur etwas längere Urlaubsreise“. Alltägliche Dinge sind während unserer Tour ungleich schwerer zu organisieren, als man es im hochentwickelten Deutschland gewohnt ist und nebenbei tauchen permanent neue Herausforderungen auf, die wir mit großer Flexibilität, Geduld und Gelassenheit zu meistern haben.

» Bildergalerie aufrufen

„Schwere“ Routenplanung

Vor unserem Start in Deutschland gab zwar eine grobe Reiseplanung, die aber unterwegs immer wieder zu verfeinern und zu überdenken ist. Täglich erstellen wir eine genaue Etappenplanung und legen die Route unter Berücksichtigung von Tank- und sonstigen Versorgungsstopps fest. Unser größtes und wertvollstes Gepäckstück ist deshalb eine Metallbox mit Büchern und Karten für 20 Länder mit einem Gewicht von über 50 Kilogramm. Ohne Papier geht es nun mal auch im Zeitalter der Satellitennavigation nicht. Wenn wir dann erst einmal unterwegs sind, ist unser Satellitennavigationssystem (GPS) unser wichtigstes Hilfsmittel.


Bild: Reiseplanung unterwegs

» Bildergalerie aufrufen

Vielfältige Reisequartiere

Dass wir mit unserem Auto die Unabhängigkeit genießen und immer wieder abgelegene, wunderschöne Camps finden, haben wir in den Reiseberichten der letzten Monate ja schon oft beschrieben. Nun ist es aber nicht so, dass uns ein Camping- oder Reiseführer zu diesen Plätzen führt. Da müssen wir uns schon selbst umschauen oder uns vor Ort bei den Einwohnern erkundigen – und das kann manchmal viel Zeit in Anspruch nehmen. Vor Einbruch der Dunkelheit heißt es deshalb immer rechtzeitig „Ausschau halten“. Oft weiß man am Morgen nicht, wo die Reise am Abend endet.
Wir haben uns angewöhnt, uns immer in der nächsten Siedlung vorzustellen, damit sich keiner wundert, wenn zwei Deutsche ihr Camp in der Wildnis aufschlagen. Am liebsten und am sichersten stehen wir aber in der Nähe einer Familie.


Bild: Gartencamp (Tadschikistan)

Die Gastfreundschaft der Menschen entlang unserer Reise ist unbeschreiblich groß und es fällt uns oft schwer, die vielen herzlichen Einladungen von Einheimischen abzulehnen. Aus Sicherheitsgründen fragen wir die Menschen immer nach einer Übernachtungsmöglichkeit und gehen selten auf noch so gut gemeinte Einladungen ein. Damit tun wir bestimmt einigen Menschen Unrecht, minimieren aber auf der anderen Seite unser eigenes Risiko, an die Falschen zu geraten.


Bild: Gastfreundschaft (Turkmenistan)

» Bildergalerie aufrufen

Auch uns bleibt es nicht erspart, hin und wieder in die großen Städte zu fahren, wobei wir dann immer versuchen ein günstiges Hotel mit Unterstellmöglichkeit für unser Auto zu finden. In Samarkand erlaubte uns der Hotelbesitzer des Furkat-Hotels sogar unser Auto im Innerhof abzustellen. Alle Gäste mussten daraufhin zum Essen zusammenrücken. Wir revanchierten uns, indem wir nicht müde wurden, die Bilder unsere Reise zu zeigen.


Bild: Auto im Hotel (Usbekistan)

Aber auch die völlig einsamen und abgelegenen Camps haben ihren Reiz. Hier entscheidet dann immer unser Bauchgefühl, ob wir bleiben oder doch lieber weiter suchen. Und eins ist an diesen Stellen sicher. Es mag noch so einsam und abgelegen sein; spätestens am nächsten Tag sind die ersten Menschen da. Bauern, Nomaden, Hirten, die den Autospuren nachgegangen sind. Sie sind dann einfach nur neugierig.


Bild: Neugierige Nachbarn (Iran)

Heimisch auf vier Rädern

Da wir in unserem Auto nur 3,5 m² zur Verfügung haben, muss alles seinen Platz haben: Kleidung für alle Klimazonen, Schuhe, Bücher, Werkzeug, Lebensmittel, Medikamente, Kühlbox, Wasseranlage, Computer, Trekkingausrüstung, Ersatzteile..... .Unser Schlafzimmer ist ein Zelt auf dem Autodach – was wir sehr genießen, solange es trocken und nicht zu kalt ist. Das kleine geschlossene Vorzelt gibt uns das Gefühl von Privatsphäre und dient für bis zu sechs Personen als windgeschütztes „Gästezimmer“. Auf Fernsehen, Toilette, Badewanne müssen wir in unserem Auto verzichten. Wir haben es aber ehrlich gesagt bis jetzt noch nicht wirklich vermisst und beim Duschen wird notfalls improvisiert.

Bild: Dachzelt (Iran) Bild: Platz für alle (Tadschikistan)
   
Bild: Duschkabine (Iran) Bild: Spatentoilette (Turkmenistan)

» Bildergalerie aufrufen


Die alltäglichen Dinge wie Lebensmittel einkaufen, Wäsche waschen, tanken, kochen etc. dauern unterwegs einfach viel länger, da man die Orte nicht kennt. Auf Märkten und Bazaren wird das gekauft, was frisch angeboten wird. Gekocht wird bei uns auf einem kleinen Benzinkocher, den wir auch auf unseren Trekkingtouren in die Berge mitnehmen. Und in großen Städten nutzen wir die Gelegenheit, um Langzeitvorräte mit den Dingen auffüllen, die es in den Dörfern nicht gibt.
Dass man nie mit dem letzten Tropfen Diesel unterwegs sein sollte, haben wir ja bereits im Iran gelernt. Oft ist gerade die nächste Tankstelle „trocken“ oder gänzlich stillgelegt.

 

Bild: Bazar (Türkei) Bild: Campküche (Afghanistan)
   
Bild: Große Wäsche (Tadschikistan) Bild: Dieselknappheit

Autopflege

Es gilt, die durchschnittlich zehn kleineren und größeren technischen Probleme am Auto während der Standzeiten zu beseitigen oder wenigstens im Griff zu behalten. Ganz ohne Autoprobleme sind wir nie unterwegs aber an dieses Gefühl muss man sich eben bei dieser anspruchsvollen Reiseroute gewöhnen. Häufig ist Improvisieren und Basteln angesagt und aufwendige Reparaturen werden in größere Städte mit (Toyota-) Werkstätten vertagt. Wenn wir die erforderlichen Ersatzteile nicht vor Ort erhalten können, wird mit Unterstützung von diversen Firmen und Freunden der Nachschub organisiert. Die Verzollung kann dann aber mehrere Tage in Anspruch nehmen. Überhaupt ist die Bürokratie der größte Feind eines Überlandreisenden.


Bild: Scheinwerferreparatur

» Bildergalerie aufrufen

No Paper No Journey

Das Überlandreisen mit dem Auto erfordert neben den obligatorischen Visa für uns eine Unmenge an Papieren und Genehmigungen, die wir nicht vorab in Deutschland organisieren konnten. Fallstricke lauern auf unserer Reiseroute überall. Vergisst man zum Beispiel eine notwendige Registrierung bei der örtlichen Polizei oder dem Zoll drohen saftige Geldstrafen bis in den dreistelligen Dollarbereich hinein. Damit wir unsere diversen Visa rechtzeitig zur Verfügung haben, verwenden wir jeweils zwei Reisepässe, die ständig zwischen der Visum Zentrale in Berlin und uns pendeln. Örtlich zu besorgende Genehmigungen und Visa verursachen etliche Behördengänge und Wartezeiten. Bevor wir z.B. unsere ca. 20 Genehmigungen für die China/Tibet Durchquerung zusammen haben, werden drei Monate vergehen. Während unserer Reise haben wir immer ein Auge auf die „Papierlage“, um nicht in einer bürokratischen Sackgasse zu landen. Der schlimmste Fall wäre, wenn in einem Land unser Visum abläuft, bevor wir für das nächste Land eine Einreisegenehmigung haben. Dann droht sehr schnell die Abschiebehaft und die Beschlagnahmung des Autos (wie gerade hier in Goa bei anderen Reisenden geschehen).

Online Reisen

Die Reiseberichte schreiben wir abwechselnd auf unserem Laptop und übertragen sie zusammen mit den Bildern von Internetcafes aus nach Deutschland. Die Datenübertragung auf die PCs in den Internetcafes erfolgt mit einem USB Stick, wobei die rückwärts übertragenen Computerviren ein ernsthaftes Problem sind. Zuhause werden unsere Berichte und GPS-Daten für die Übersichtskarte von der Webagentur KLXM auf unserer Homepage eingestellt.
Eine Datenübermittelung per Satellitentelefon wäre auch möglich, ist aber für die Übertragung von Bildern viel zu langsam und zu teuer. Unser größtes Problem sind die extrem langsamen Internet-Cafes und Stromausfälle, so dass eine Bildübertragung bis zu 10 Minuten dauert. In diesem Fall dürfen wir uns mehrere Stunden in diesen oft nicht sehr gemütlichen Internetcafes aufhalten und natürlich auch dafür bezahlen. Wir schreiben die Berichte aber sehr gerne, da uns viele positive Kommentare aus aller Welt erreichen, die uns zeigen, dass man an unseren Reiseerfahrungen ein großes Interesse hat.


Bild: Computerarbeit (Türkei)


Bild: Warten im Internet-Cafe (Usbekistan)

Für den Notfall halten wir ein Thuraya Satellitentelefon bereit, da es in sehr vielen Gegenden keine Mobilfunknetze gibt. Außerdem haben wir einen kleinen Notfallsender bei uns. Im Ernstfall werden wir sofort über Satellit geortet und eine international koordinierte Rettungsaktion wird umgehend eingeleitet.
Mit einem Kurzwellenradio empfangen wir regelmäßig die Weltnachrichten, um auf dem Laufenden zu bleiben.

» Bildergalerie aufrufen

„Völkerverständigung“

Noch ein Wort zur Verständigung. Natürlich können wir nicht alle Sprachen der Länder erlernen, wo wir gerade sind. Wir bemühen uns aber, die wichtigsten Vokabeln zu lernen und ansonsten hilft uns ein kleines Bilderbuch namens „Point it“ weiter. In diesem Bilderlexikon sind Bilder der wichtigsten Lebenssituationen enthalten und man muss nur zeigen, was man möchte. Ansonsten kommen wir aber mit der Weltsprache „Gelassenheit“ und „Lächeln“ (...auch in heiklen Situationen) sehr gut zurecht.
Wenn die Verständigung auch mit Händen und Füßen zu anstrengend wird, zeigen wir unseren Gastgebern Familienbilder und Bilder von zu Hause. Dieses kleine Fotoalbum kommt immer gut an.
Reisen heißt aber auch ständig Abschied nehmen. Meist ein Abschied für immer, auch wenn man über e-Mail noch den Kontakt hält. Viele Gastgeber und liebe Menschen, die wir unterwegs treffen, verewigen sich in unserem „Silkroad Gästebuch“ in allen möglichen Sprachen und mit Bildern – ein Andenken der besonderen Art.


Bild: Familienabschied (Tadschikistan)

Dresscode

Reisen in islamischen Ländern bedeutet vor allem für Ute eine Anpassung der ganz besonderen Art, denn Kopftuch, lange Hosen und ein langärmliges Shirt sind hier Minimalausstattung. Im Iran reichte da noch ein Kopftuch, das man sich locker über die Haare legte und ein kurzer Mantel über der Jeans. In Afghanistan und Pakistan sieht die Kleiderordnung dann schon etwas strenger aus. Langer „Schlabbermantel“ und ein großes Kopftuch sind bei Temperaturen von bis zu 50 Grad eine echte Tortour. Ute versuchte sich auch einmal im Tragen einer Burkha, um die eingeschränkte Sicht einer afghanischen Frau zu erleben.



Bild: Burkha (Afghanistan)

Reisebilder

Wir haben uns für diese Reise auf digitale Fotografie umgestellt und so werden auch unsere Vorträge zu Hause keine herkömmlichen Diavorträge mehr sein. Doch dieses neue Medium hat nicht nur den Vorteil, dass man gleich sehen kann, ob ein Bild etwas geworden ist oder noch einmal geschossen werden muss. Nein, man muss konsequent alles abspeichern und vor allem aussortieren. Wir haben trotz externer Speichermedien, diese Datenmenge unterschätzt und mussten schon aufrüsten.

» Bildergalerie aufrufen

Krank auf Reisen

Immer wieder werden wir gefragt, wie oft wir krank werden, was man in diesen Ländern am häufigsten bekommt und wie wir damit umgehen. Wir möchten im Folgenden keine Gesundheitsratschläge geben, sondern nur kurz unsere ganz persönliche Situation beschreiben. Bedingt durch die ständigen Klimawechsel verbunden mit extremen Höhen- und Temperaturunterschieden, haben wir oft mit Erkältungskrankheiten zu tun. Aber auch die gefürchteten Durchfallerkrankungen sind nicht an uns vorbeigegangen, wobei wir nur zweimal einen Arzt einschalten mussten. Wir versuchen bewusst aber nicht überängstlich mit allseits verbreiteten Krankheiten wie TB, Malaria, Dengue Fieber, Cholera ..., umzugehen und sind nur mit Notfallmedizin, „Allerweltsmedikamente“, viel Verbandsmaterial und einem kleinen Zahn-Reparaturset unterwegs. Letzteres wurde kürzlich erfolgreich eingesetzt, als Andreas eine Zahnkrone verloren hatte. Nahezu alle Medikamente kann man in lokalen Apotheken sehr günstig kaufen, wenn man die Wirkstoffe kennt.
Wir hoffen, auch weiterhin gesund und munter durchzukommen.


Bild: Malariatest (Indien)

Finanzen

Money, money, money! Weil wir nicht mit großen Bargeldmengen reisen wollen, tauschen wir bei jeder Gelegenheit US- Travellerchecks in Landeswährung ein. Notfalls nutzen wir auch unsere Visa- und EC-Karten. Ganz ohne US Dollar in bar geht es dennoch nicht, weil man häufig an Landesgrenzen oder bei den Botschaften zur Visabeschaffung in Dollar bezahlen muss. Wegen der unsicheren Internetcafes nutzen wir Telebanking sehr selten und verlassen uns lieber auf das „Logistikzentrum“ unserer Eltern in Deutschland. Damit wir über die lange Zeit nicht aus dem festgesetzten Budgetrahmen laufen, ist ein ständiges Monitoring unser Ausgaben sehr wichtig.

Auch wenn unsere Ausführungen zunächst sehr umfassend und vielleicht sogar abschreckend erscheinen, wollen wir diese „Alltagsprobleme“ nicht missen. Sie gehören genauso zu unseren Reiseerlebnissen wie die liebenswerten Menschen, die grandiosen Landschaften und die atemberaubenden Monumente entlang unserer Route. Genau genommen ist unsere Reise ein riesiges Organisationsprojekt mit alltäglichen Herausforderungen, die allerdings etwas anders aussehen als zu Hause. Die weihnachtliche „Verschnaufpause“ in Goa kommt da gerade recht, um neue Kräfte zu sammeln, bevor die Karawane weiterzieht.


Bild: Urlaub in Goa

» Bildergalerie aufrufen

 

Eine aktuelle Information ueber die Tatigkeit
der Kinderhilfe Afghanistan finden sie hier.

 

 

 

 

 

» Bildergalerie aufrufen

 

Eine aktuelle Information ueber die Tatigkeit
der Kinderhilfe Afghanistan finden sie hier.

 

Logo: moerser kammerchor