Durch das wilde Kurdistan in den Kaukasus
GalerieAuch im Jahr 2010 führt uns der Weg wieder in Richtung Osten. Die für uns noch unbekannte Region Kurdistan und der Kaukasus sind unser Ziel. Dabei stoßen wir auch immer wieder auf Relikte aus der Zeit der Seidenstraße.
Mit der neuen „Visemar Autofähre“ geht es zunächst von Venedig nach Syrien, weiter in den Nord-Irak, Iran, Armenien, Berg-Karabach, Georgien und durch die Türkei sowie über den Balkan wieder zurück nach Deutschland. In zwei Monaten - von Ende Juni bis Ende August - fahren wir 11.500 Kilometer und besuchen 14 Ländern, wobei wir einige Länder nur im Transit durchfahren. Insgesamt haben wir 16 Grenzübergänge mit unterschiedlich langen Wartezeiten und Komplikationen zu bewältigen.
Nach einer interessanten Reise bleiben uns die Erinnerungen an den modernen Nordirak, eine tolle Off Road-Tour im Iran, die schönen Kirchen in Armenien, eine Fahrt durch Berg-Karabach, die wilde Natur des Hohen Kaukasus sowie eine Türkei im Wandel zur Moderne. Aber alles der Reihe nach !
Angekommen in Syrien
Angekommen in Syrien
Als wir Ende Juni wieder startbereit sind, hätten wir auch für länger als zwei Monate wegfahren können, denn die Vorbereitungen sind fast genauso aufwendig wie bei unseren längeren Reisen. Und so verlassen wir Deutschland auch wie immer ziemlich hektisch, um am nächsten Tag mit der nagelneuen Fährverbindung „Visemar One“ von Venedig nach Tartus (Syrien) zu fahren. Damit haben wir den langen Anfahrtsweg über den Balkan abgekürzt und zusätzlich noch den sehr teuren türkischen Diesel (über 1,50 €/Liter) gespart. Die Überfahrt nach Syrien haben wir ausführlich unter http://forum.buschtaxi.org/neue-fahrverbindung-nach-agypten-und-syrien-t24712.html#p379512 beschrieben.
Zusammen mit vielen arabischen Familien, die Ihre Angehörigen besuchen wollen, und diversen Autoschiebern mit ihren Luxuskarossen erreichen wir nach 2,5 Tagen die syrische Hafenstadt Tartus. Dort ist es mit der beschaulichen Ruhe unserer Schiffsreise erst einmal vorbei, denn bei der Einreise geht es ziemlich hektisch zu und die Beamten sind der wöchentlichen Fährankunft wohl genauso wenig gewachsen wie die einreisenden Araber. Die Nerven liegen wegen der etwas umständlichen Einreiseprozeduren bei einigen Zeitgenossen blank, so dass die syrische Polizei öfter mal schlichtend eingreifen muss. Nach vier Stunden ist der Einreisemarathon endlich überstanden und wir sind in Syrien angekommen. Die neue Fährlinie eröffnet nun auch für den Durchschnittsreisenden mit oder ohne fahrbaren Untersatz sehr bequem ganz neue Reiseziele im Nahen Osten.
Unser erstes Ziel ist die Oase Palmyra inmitten der syrischen Wüste, eine wichtige Handelsstadt nicht nur zur Zeiten der Seidenstraße. Die vielen Ruinen sind Zeugnis einer glorreichen Epoche vor 2000 Jahren.
Vorbei an zerfallenen Wüstenschlössern und Ruinenstädten, die damals an strategischen Positionen erbaut wurden, um den Warenverkehr nach Mesopotamien (heute Irak) zu kontrollieren, erreichen wir den Assad-Stausee. Direkt am Ufer des Sees schlagen wir unser Camp auf, nachdem wir den Platz von Plastiktüten, Bechern, Besteck, Windeln, Glas, Flaschen und Essenresten befreit haben. Mit welcher Bedenkenlosigkeit sich die Menschen ihres Mülls genau da entledigen, wo sie vorher die Natur genossen haben, soll uns auf unserer Reise leider noch öfter begegnen. Wir können in der kleinen gesäuberten „Badenische“ relaxen und in Ruhe unsere Reise durch den Irak planen. Besonders schön ist der abendliche Blick auf die Burg Qula’at Ja’abar.
Syrien durchqueren wir in sechs Tagen. Während unserer ersten Reise entlang der Seidenstraße im Jahr 2002 haben wir Syrien, Jordanien, Ägypten und Libyen sehr intensiv bereist. Die Reiseberichte hierzu sind ebenfalls auf dieser Website zu finden
Im „wilden“ Kurdistan (Nord-Irak)
Im „wilden“ Kurdistan (Nord-Irak)
Im Nordosten verlassen wir Syrien bei Al Qamichli und reisen in die Türkei ein. Dabei haben wir gerade eine sehr fruchtbare Region – auch fruchtbarer Halbmond genannt – durchquert, die bis Mesopotamien reicht. Mittelweile sind die Temperaturen auf 45°C gestiegen und das macht unserer Klimaanlage genauso zu schaffen wie uns; also fällt sie aus. Völlig durchgeschwitzt erreichen wir den zweiten Grenzübergang an diesem Tag. Bei Habur reisen wir in den Irak ein. Wir machen diesen kurzen Schlenker über die Türkei, da die Straße an der syrisch/irakischen Grenze direkt in den arabischen Teil des Irak nach Mossul führt. Zu dieser Stadt und besonders über die Sicherheitslage wollen wir aber erst noch im Land nähere Auskünfte einholen. Je näher wir an die irakische Grenze kommen, desto mehr LKWs - beladen mit Baumaterialien verschiedenster Art - müssen wir überholen und direkt vor der Grenze hat man schon für die LKW-Fahrer einen riesigen Parkplatz eingerichtet. Wir können glücklicherweise an den hunderten von LKWs, die hier sicher noch Tage stehen, vorbeifahren. In der großen Abfertigungshalle erkennt man schnell, dass wir Deutsche sind und bittet uns umgehend in das Büro des Abfertigungsbeamten, versorgt uns mit süßem Tee und bearbeitet unsere Pässe sofort. Hier läuft alles sehr schnell und organisiert. Die Pässe aller Einreisenden werden eingesammelt, gescannt und die Visa für den Irak (autonome Region Kurdistan) kostenlos in den Pass gestempelt sowie das Autokennzeichen im Pass handschriftlich notiert. Als kleinen Willkommensgruß entfernt ein Grenzsoldat das kurdische Flaggenabzeichen von seiner Uniform, damit wir es neben den übrigen Flaggen auf unseren Fenstervorhängen anbringen können. Welche nette Geste.
Die Einreise für unser Auto in den Irak gestaltet sich nicht ganz so einfach, da man unsere Pässe und eine Kaution einbehalten will, bis wir mit unserem Auto wieder am gleichen Grenzübergang ausreisen werden. Aber genau das haben wir nicht vor, denn wir wollen vom Irak in den Iran ausreisen, also einen anderen Ausreiseort nehmen. Zwei Tage warten wir in der nächsten Stadt, trinken viel Tee und verhandeln mit diversen Beamten bevor man uns mit einem Empfehlungsschreiben des Grenzschutzkommandanten und vor allem mit unseren Pässen ziehen lässt. Auch die obligatorische Kaution von 300 USD hat man uns erlassen. Für den Fall, dass es trotzdem irgendwo im Irak oder bei der Ausreise Schwierigkeiten geben sollte, gibt man uns noch die Handynummer des Kommandanten mit. Das Carnet de Passage-Verfahren hat man im Irak übrigens abgeschafft, nachdem es zu viele Fälschungen von Autoschmugglern gab.
Unsere erste Station im Irak ist Dohuk. Da wir diese Stadt erst in der Dunkelheit erreichen, nehmen wir uns ausnahmsweise ein Hotelzimmer. Der nächste Tag lässt uns fast glauben, in das falsche Land eingereist zu sein und unsere ersten persönlichen Wahrnehmungen im Land haben mal wieder gar nichts mit den Bildern zu tun, die unsere westlichen Medien jeden Tag vom Irak zeigen. Wir sind erstaunt über die sehr guten Straßen, die vielen neuen Gebäude und Baustellen. Der Wohlstand der Bevölkerung durch die vielen Ölvorkommen ist allgegenwärtig und vom Krieg finden wir überhaupt keine Spuren. Die Menschen fahren zum größten Teil nagelneue Autos und Geländewagen. Unser Toyota ist auf jeden Fall das älteste Fahrzeug auf den Straßen. Sicher wird der arabische Teil des Irak in Bezug auf die Infrastruktur noch lange nicht so weit sein, wie die autonome Region Kurdistan. Uns wird – wie auch schon 2006 in Afghanistan - bewusst, dass man Länder nicht pauschal, sondern nur differenziert nach Landesteilen beurteilen sollte.
Staunend besuchen wir ein modernes Einkaufszentrum sowie einen Vergnügungspark. Und genau in diesem Vergnügungspark kommt es zum Stromausfall, als wir gerade mit vielen Irakern in einem Riesenrad sitzen. Alles geht glimpflich ab und wir haben nach einiger Zeit wieder sicheren Boden unter den Füßen. Auf jeden Fall haben wir seit diesem Ereignis eine Antwort auf die Standardfrage nach der gefährlichsten Situation unserer Reise
Dennoch nehmen wir die aktuelle Situation im Irak nicht auf die leichte Schulter. Von unserem ursprünglichen Plan, auch nach Mossul zu fahren, um dort die historischen Stätten von Ninive zu besuchen, rücken wir aus Sicherheitsgründen ab. Alle lokalen Informationen sprechen gegen eine Fahrt in den arabischen Teil des Irak. Leider bleibt uns auch dieses Mal ein großer Teil von Mesopotamien verschlossen. Wir hatten schon Ende 2002 - kurz vor dem Angriff der USA auf den Irak - erfolglos versucht in den Irak einzureisen. Nun ist nur zu hoffen, dass wir möglichst bald, diesen weißen Fleck auf unserer „Seidenstraßen-Landkarte“ mit persönlichen Eindrücken füllen können.
Der Nordirak hat wunderschöne Gebirgslandschaften, wo wir immer wieder Camps in freier Natur finden. Die vielen Wasserfälle sind hier willkommene Ausflugziele, die Besucher aus fernen Landesteilen anziehen und auch wir genießen die ungezwungene Atmosphäre im kühlen Nass sowie die Fröhlichkeit der Menschen.
GalerieIn den kurdischen Teil des Iran
In den kurdischen Teil des Iran
Weiter geht es in Richtung der iranischen Grenze bei Piranshar. Wegen des Iran/Irak-Krieges war die Grenze zwischen den beiden Ländern viele Jahrzehnte nicht passierbar. Wir sind sehr gespannt, was uns hier erwartet, weil es auch im Internet sehr unterschiedliche Berichte von Reisenden gibt; einen Bericht über einen Grenzübertritt mit dem eigenen Fahrzeug konnten wir bei unseren Recherchen nicht finden. Immerhin war die Grenzstation auch zu Zeiten der alten Karawanenwege ein wichtiger Durchgang zwischen Persien, Mesopotamien und weiter nach Syrien.
Uns erwarten an diesem kleinen Grenzposten einige Containerbüros und Barracken. Wir merken deutlich, dass man an dieser entlegenen Stelle mit Touristen - und besonders solche mit eigenem Fahrzeug - nichts anfangen kann. Hier scheint nur der kleine Grenzverkehr der lokalen Bevölkerung stattzufinden. Außerdem überqueren unzähliger LKW diese Grenze in beide Richtungen. Von Embargo gegenüber dem Iran ist an dieser Grenze nichts zu spüren. Die Ausreise aus dem Irak können wir etwas beschleunigen, in dem wir die Handynummer des Grenzschutzkommandanten vorzeigen. Man möchte wohl das direkte Gespräch mit dem obersten Boss vermeiden und so geht die Abfertigung nach einigen Anlaufschwierigkeiten reibungslos. Auf der iranischen Seite sieht die Grenzabfertigung schon ganz anders aus. Wir stehen einige Zeit in der glühenden Sonne auf einem staubigen Vorplatz. Kopftuch und Mantel sind für Ute wieder Pflichtausstattung, nachdem es im Nord-Irak wesentlich freizügiger war. Ein Grenzbeamter überrascht uns mit der Äußerung, dass unser Carnet im Iran keine Gültigkeit hat. Nach einigem Hin und Her konnten wir diesen Irrtum aber ausräumen. Die weiteren Formalien sind sehr langwierig und anschließend erfolgt eine sehr gründliche, dreimalige Durchsuchung unseres Fahrzeugs. Als dann noch eine Flasche syrischer Wein gefunden wird, (den wir eigentlich als Souvenir mit nach Hause nehmen wollen) wird die Situation etwas zäh. Langwierige Verhandlungen sowie unser Angebot, den Wein an Ort und Stelle in den Sand zu gießen bleiben erfolglos und am Ende wird die Flasche wie bei einem geheimen Austausch von Spionen sehr theatralisch an der Grenzlinie wieder den „Arabern“ zurückgegeben. Was für ein Schauspiel, bei dem wir leider keine Fotos machen dürfen. Endlich erreichen wir den iranischen Teil Kurdistans und wir sind sehr froh, diese schwierige Grenze gemeistert zu haben.
Auf staubigen Pisten durch das Bergmassiv am Mount Sabalan (Iran)
Auf staubigen Pisten durch das
Bergmassiv am Mount Sabalan (Iran)
Viele Landesteile des Iran haben wir auf unseren ersten beiden Reisen erkundet. Dieses Mal wollen wir den Norden kennenlernen. Von der Grenze aus umrunden wir zunächst den Urmia Salzsee, dessen Wasser zur Behandlung vieler medizinischer Leiden Anwendung findet.
Bei einem Zwischenstopp in Tabriz wollen wir den riesigen Basar mit seinen insgesamt 35 Kilometer langen überdachten Geschäftsstraßen und den 24 Karawansereien als einen früher sehr wichtigen Handelsposten der Seidenstraße besuchen. Leider wird der Basar von den Händlern schon seit längerer Zeit bestreikt, so dass nahezu alle Geschäfte geschlossen sind. Hinter vorgehaltener Hand verrät uns ein Einheimischer, dass es hier um eine politische Machtprobe zwischen den einflussreichen Händlern und der Regierung geht.
Weiter geht es in Richtung Nordost zum Mount Sabalan (4811m). Zusammen mit unseren iranischen Freunden schrauben wir uns auf staubigen Pisten über 3000 Meter hohe Pässe. Um uns herum erleben wir eine sehr schöne Gebirgslandschaft mit grünen Bergwiesen, Schneefeldern und immer wieder kleine Gebirgsdörfer mit malerischen Lehmhäusern. Wir werden überall sehr freundlich begrüßt und man versorgt uns mit Feuerholz, Eiern, Honig oder Brot. Hier in diesen Höhen leben im Sommer auch einige Nomaden mit ihren Viehherden in traditionellen Filzjurten. Neben den sehr schönen Landschaften erleben wir den Iran mit seinen Bewohnern wieder einmal als äußerst gastfreundliches und liebenswürdiges Land. Immerhin sind wir schon das vierte Mal hier.
Nach der siebentägigen Tour durch den Iran fahren wir in Richtung der Grenze zwischen dem Iran und Armenien. Während wir auf einer gut geteerten Straße unterwegs sind, ist auf der anderen Seite des Grenzflusses Aras die Zerstörung durch den Kaukasus-Krieg unübersehbar. Dort liegt Berg-Bergkarabach, ein umkämpftes Gebiet zwischen Armenien und Aserbeidschan. Zurzeit besteht ein Waffenstillstand, aber alle Dörfer sind ausgebombt und übrig geblieben ist eine Geisterlandschaft. Auch die Eisenbahnlinie, die einst direkt am Grenzfluss bis nach Baku ging, ist zerstört.
Reise ins christlichen Armenien
Reise ins christlichen Armenien
Der Grenzübertritt nach Armenien verläuft problemlos. Auf der iranischen Seite sind die Formalitäten in 45 Minuten erledigt. Die armenischen Grenzbeamten waren mit der Einreise von Touristen mit Auto etwas ungeübt, was uns ungefähr drei Stunden Wartezeit einbringt.
Armenien liegt genau an der geographischen, politischen und kulturellen Grenze zwischen Europa und Asien und war seit jeher Spielball zwischen dem osmanischen Reich, Russland und Persien. Der Massengenozid, den die Türken 1915 an 1,5 Millionen Armenien verübt haben, zeugt von einer sehr tragischen Historie. In diesem ersten christlichen Staat der Welt trifft man überall auf Kirchen, Klöster und Steinkreuze, die sogenannten Khatschkars. Die siebzigjährige sowjetische Vorherrschaft bis zur Unabhängigkeit Armeniens 1991 spürt man auch heute noch überall. Der russische Lebensstil und die sowjetischen Bauwerke sind allgegenwärtig.
Was uns gereizt hat, genau diese Region zu besuchen, war natürlich mal wieder die Seidenstraße, denn wichtige Nebenrouten verliefen quer durch Armenien wovon die Ruinen der alten Karawansereien zeugen.
Reisen in Armenien ist sehr einfach. Die schönsten Plätze findet man immer an den Stellen, wo es auch ein Kloster gibt; traumhafte Camps in freier Natur inklusive. Einige Badetage an dem riesigen, fast 2000 Meter hoch gelegenen Sevan See lassen sogar Beachfeeling aufkommen.
Zum Pflichtprogramm in Armenien gehört ein Besuch des Ararat (5165m), der zusammen mit dem Kleinen Ararat (3925 m) gigantisch aus der sehr fruchtbaren Ebene empor ragt. Allerdings liegt er in der Türkei und die Grenze zwischen Armenien und der Türkei ist absolut unpassierbar. Der Gipfel des Ararats ist noch schneebedeckt und da man den besten Blick von dem Kloster Khor Virap haben soll, fahren wir dorthin. Das Kloster liegt direkt im Grenzgebiet und so sehen wir die undurchdringliche Grenze; überall Wachtürme und hoher Stacheldraht- sowie Elektrozäune. Auf alle Fälle ist der Blick auf den Berg gigantisch und wo sollte Noah mit seiner Arche gestrandet sein, wenn nicht hier. Man schenkt der Geschichte Glauben, wenn man hier steht.
Ein weiteres historisches Highlight ist die prähistorische Kultstätte Zorekhar, gewissermaßen ein armenisches Stonehenge, nur etwas größer als in England. Auf einer riesigen Fläche stehen mannshohe Steine, viele mit exakt gebohrten Löchern. Wissenschaftler vermuten hier ein überdimensionales Sternenobservatorium.
Armenien hat uns als Reiseland und auch kulturhistorisch sehr gefallen. So unterschiedliche Gebirgslandschaften und christliche Klöster überall haben auf uns eine ganz besondere Stimmung ausgestrahlt. Alle Karawanenwege und Sehenswürdigkeiten waren gut ausgeschildert
Abstecher nach Berg-Karabach
Abstecher nach Berg-Karabach
Wer hat sie nicht in Erinnerung - die Bilder aus den täglichen Abendnachrichten von 1989 bis 1994, wenn es um die Krisenregion Berg-Karabach ging. Inzwischen herrscht dort ein Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien Armenien und Aserbeidschan. Berg-Karabach wurde einseitig von Armenien zu einem selbständigen Staat erklärt – allerdings ohne internationale Anerkennung weiterer Staaten.
Hier sehen wir wieder ein jahrhundertealtes Beispiel eines Kräftemessens von Stellvertretern der Großmächte Türkei, Russland und dem Iran. 40.000 Tote und eine Million Flüchtlinge haben alleine die letzten kriegerischen Auseinandersetzungen gefordert. In Berg-Karabach konnte sich das christliche Armenien gegen die muslemischen Azaris türkischer Abstammung durchsetzen. Die Folgen der Massenflucht sind weitestgehend entvölkerte Gebiete, verwüstete Siedlungen und etliche zerstörte Moscheen. Nur ganz, ganz langsam kehrt das Leben hier wieder zurück.
Berg-Karabach ist ausschließlich über Armenien zugänglich. Die Einreise am Checkpoint verläuft auch ohne Visum reibungslos. Das Visum holen wir uns, durchaus unüblich, am nächsten Tag im Außenministerium in der sogenannten Hauptstadt Stepanakert. Hier müssen wir dann leider auch feststellen, dass unser Toyota zwei Risse in der Achsaufhängung hat. Eine Weiterfahrt erscheint unmöglich. Zum Glück helfen uns einige Armenier und schweißen das Achsgehäuse. Dem deutschen TÜV dürfen wir die Schweißnaht allerdings nicht mehr zeigen, obwohl man uns mit einem Augenzwinkern fünf Jahre Garantie auf die Arbeiten gegeben hat. Hier erleben wir wieder einmal ein Beispiel grandioser Gastfreundschaft. Für die Reparatur nimmt man ausdrücklich kein Geld an und anschließend werden wir noch zum Mittagessen eingeladen. Man freut sich, dass Gäste aus Deutschland Interesse an diesem kleinen, geschundenen Land haben.
Anschließend durchqueren wir Berg-Karabach mit seinen wunderschönen Landschaften auf verschiedenen Jeeptreks und finden wieder traumhafte Camps. In der Nähe der Waffenstillstandlinie in Agdam ist allerdings Vorsicht geboten. In dieser völlig entvölkerten Stadt gibt es noch viele Landminen und hin und wieder kommt es auch zu Schießereien zwischen den Kriegsparteien. Wir halten einen großen Sicherheitsabstand und bleiben auf den minenfreien Wegen
Berg-Karabach verlassen wir (nicht ganz legal) über den Zod Pass, vorbei an den riesigen Goldminen, wieder in Richtung Armenien. Die Zufahrt über die sehr schöne Schlucht ist sicherlich ein Highlight unserer Tour.
Der Große Kaukasus in Georgien
Der Große Kaukasus in Georgien
Von Armenien geht es weiter nach Georgien. Die Grenzformalitäten sind problemlos und schnell erledigt. Das georgische Visum erhalten wir an der Grenze.
Unser erster Eindruck von Georgien im Vergleich zu Armenien: die Straßen sind besser und der westliche Einfluss ist deutlich zu spüren, auch wenn man noch viele Relikte aus der ehemaligen russischen Zeit sieht. Vor allem die Stadt Tiflis machte beim Vorbeifahren einen sehr modernen Eindruck.
Auf der jahrhundertealten Militärstraße nähern wir uns aus südlicher Richtung dem Großen Kaukasus. Am Weg liegen die Gräber deutscher Kriegsgefangener, die nach dem Zweiten Weltkrieg diese exponierte Hochgebirgsstraße ausgebaut haben und dafür an diesem unwirtlichen Ort ihr Leben ließen. Kurz vor der russischen Grenze ist Endstation, denn die Grenze ist seit dem russisch-georgischen Krieg im Jahr 2008 für Ausländer gesperrt. Leider gibt es für uns an keiner Stelle die Möglichkeit, den Kaukasus in Richtung Norden zu überqueren. Georgien hat mit seinem politischen Alleingang, den eigenen und den westlichen Einfluss in dieser Region zu erweitern, mit einem erheblichen Gebietsverlust bezahlt. Immerhin hat sich die Lage zwischen den Kriegsparteien inzwischen beruhigt und das Reisen ist problemlos möglich. Es bleibt zu hoffen, dass es auch nach den Olympischen Winterspielen 2012 im nahen Sochi friedlich bleibt.
Wir erreichen den kleinen Gebirgsort Kasbegi im Großen Kaukasus und schlagen unser Camp in einer traumhaften Gebirgskulisse vor dem Zminda-Sameba Kloster mit Blick auf den 5047 Meter hohen Mt. Kasbek auf. Eine Wanderung zum nahen Gletscher ist selbstverständlich
In dem wunderschönen Trusa-Tal fahren wir anschließend in Richtung Osten an die Grenze zu Süd-Ossetien, das von Russland besetzt wurde. Unterwegs beeindrucken uns die weißen Sinterterrassen der Mineralquellen. Allerdings kommen wir nur bis zu einem Militärposten der Georgier, wo wir unser Camp an einer glasklaren Gebirgsquelle auf einer Wiese in Sichtweite der Soldaten aufschlagen dürfen. Ab und zu kommt ein Militärhubschrauber im Tiefflug vorbei, der „nach dem Rechten“ schaut. Endlich ist genügend Zeit, Utes verlorengegangene Zahnfüllung zu reparieren. Mit unserem Zahn Repairkit kein Problem.
Die Region Tuschetien im äußersten Nordosten von Georgien an der Grenze zu Dagestan und Tschetschenien ist unser nächstes Ziel. Erst seit 1978 führt eine sehr ausgesetzte Passstraße in dieses Gebiet, die ausschließlich von Allradfahrzeugen befahren werden darf. Ein kürzlich ausgebranntes Autowrack liegt mahnend mitten auf dem Fahrweg.
Zunächst fahren wir durch eine sehr spektakuläre Schlucht bis zum 2926 Meter hohen Abanos Pass und erreichen nach sehr harten 70 Kilometern und fast 8 Stunden den Ort Omalo. Die Erkundungstouren zu den kleinen Gebirgsdörfern in Tuschetien gestalten sich sehr schwierig, weil heftiger Regen die Fahrwege in rutschige Schlammpisten verwandelt hat. Bei den steil angelegten Wegen ist das nichts für schwache Nerven, … trotz MT-Reifen. Wir riskieren auch einen Blick über die Grenze nach Dagestan unter den wachsamen Augen von sehr freundlichen georgischen Grenzsoldaten.
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Bei schönstem Wetter geht es nach einigen Tagen wieder zurück in die Tiefebene - in die Weinregion Kachetien. Gerade waren wir noch in einer nasskalten Hochgebirgsregion, um jetzt durch Orte mit mediterranem Flair bei sehr angenehmen Temperaturen zu fahren, wo in den Gärten Bananenstauden wachsen.
Die Straßen sind wieder sehr gut und so kommen wir schnell voran. Am Rand der Schnellstraße bei Tiflis werden wir erstmals mit der extremen Flüchtlingssituation durch den letzten Krieg Anfang 2008 konfrontiert und sehen über 1000 sehr spartanisch, uniforme Flüchtlingshäuser. Ein Land mit 4,7 Mio. Einwohnern hatte damals auf einen Schlag 250.000 Flüchtlinge zu versorgen – hauptsächlich aus Abchasien. Abchasien steht heute ebenfalls unter russischer Kontrolle. Die Georgier wurden vertrieben.
Wir passieren noch Goris – die Geburtsstadt Stalins - um weiter in den Kleinen Kaukasus zu fahren. Die 100 Kilometer lange Überquerung verläuft auf einer wirklich sehr extremen Fahrstrecke allerdings in einer tollen Gebirgslandschaft.
Ein weiteres Highlight in Georgien ist die Region Svanetien im äußersten Nordwesten an der Grenze zu Abchasien und Russland. Die Region ist nur über zwei Fahrwege erreichbar, wovon die westlich gelegene Strecke gerade für normale Pkw ausgebaut wird. Man investiert sichtbar in den Tourismus. Die ganze Innenstadt von Mestia ist eine einzige Baustelle. In Mestina stehen 42 Wehrtürme, die mit unterirdischen Tunneln verbunden sind und als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet sind. Man sagt, dass diese sehr unzugängliche und wehrhafte Region als einziges Gebiet niemals Teil des mongolischen Weltreiches war. Wir schlagen unser Camp für einige Tage im nahe gelegenen, sehr schönen Doldra-Tal auf. Die Friedrich-Ebert Stiftung hat in der gesamten Region ein Netz von markierten Wanderwegen anlegen lassen, für die auch Wanderkarten erhältlich sind. Sicherlich eine sehr sinnvolle Maßnahme zur Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung. Auch wir testen die Wanderwege und gehen auf sehr steilen Pfaden zum Ushba-Gletscher.
Unsere zweimonatige Reise nähert sich dem Ende und schweren Herzens treten wir den Rückweg in Richtung Deutschland an. Wir werden sicherlich wiederkommen, vorzugsweise über den Nord-Kaukasus, wenn die politischen Rahmenbedingungen in dieser Region es hoffentlich bald zulassen.
Entlang der Schwarzmeerküste zurück nach Deutschland
Entlang der Schwarzmeerküste zurück nach Deutschland
Die Fahrt entlang der türkischen Schwarzmeerküste ist sehr angenehm. Die nagelneue sechsspurige Schnellstraße verläuft direkt am Meer. Auffällig sind die vielen neuen Wohn-und Industriebauten entlang der Strecke. Auch hier ist unser Geländewagen das mit Abstand älteste Fahrzeug weit und breit. Ohne Frage – die Wirtschaft in der Türkei boomt. Wenn wir an den Stadtteil Kreuzberg in unserer Heimatstadt Berlin denken, erscheint uns die Lebensweise der türkischen Bevölkerung dort, wie eine Zeitreise in die Vergangenheit. Unseren Politikern würden wir mal eine Fahrt auf der gleichen Route empfehlen, um ihr anscheinend etwas unklares Bild über die Türkei zu aktualisieren.
Obwohl wir eigentlich nicht mehr viel Zeit für die Rückreise haben, legen wir einen kurzen Stopp bei dem berühmten Sumela Kloster aus dem 12. Jahrhundert ein. Ein Badeaufenthalt in der traumhaften Bucht bei Sinop und die Besichtigung der malerischen Kleinstadt Safranbolu, dem Zentrum Safranherstellung, machen die ansonsten etwas eintönige Heimreise dennoch interessant.
Im Vorbeifahren wollen wir noch der Toyota-Werkstatt in Istanbul einen Besuch abstatten, die im Jahr 2006 unser Getriebe repariert hat. Inzwischen wurde die alte Werkstatt durch ein riesiges Toyota-Zentrum ersetzt und die alte Werkstatt aufgelöst. Jetzt heißt es „Kilometerfressen“ über den Balkan. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten erscheinen uns im Vergleich zur Türkei als sehr ärmlich. Auch die Fernstraßen an der EU Außengrenze haben das gleiche abschreckende Niveau, wie vor 15 Jahren und die „Wegelagerei“ der Verkehrspolizei hat sich ebenfalls kaum gebessert.
Nach sehr langen Fahretappen landen wir im Dunkeln in Österreich auf einem sterilen Campingplatz. Wir werden am nächsten Morgen von einem Rasenmäher geweckt, der dem englischen Rasen um uns herum den letzten Schliff gibt. Willkommen in der „Zivilisation“! Nach 38 Camps in der freien Natur fühlen wir uns an derartigen Plätzen sichtlich unwohl.
Da freuen wir uns, nach einer letzten sehr langen Etappe, rechtzeitig beim AMR-Globetrotter Treffen in Amelinghausen in der Lüneburger Heide anzukommen und wieder unter Gleichgesinnten zu sein.
Nach 11.500 sehr erlebnisreichen Kilometern Fahrstrecke kommen wir Ende August in Berlin an. Die Silkroad 2010 Tour hat unsere Erwartungen mehr als erfüllt. Bevor wir 2011 Richtung Sibirien aufbrechen, sind allerdings einige Überholungsarbeiten an unserem Toyota und an Utes Zähnen erforderlich.
Wie bei jeder längeren Reise freuen wir uns auch dieses Mal wieder auf das Alltagsleben in Deutschland und träumen von der nächsten Reise. Unser besonderer Dank gilt den vielen freundlichen Menschen, deren Gast wir sein durften und die uns unterwegs geholfen habe. Wir wünschen ihnen von ganzem Herzen eine friedliche Zukunft.