Saudi-Arabien - ein Land öffnet sich
(Oktober bis Dezember 2022)
10.000 Kilometer durch Saudi-Arabien
Als wir das erste Mal mit Freunden und Bekannten über unsere Reisepläne nach Saudi-Arabien sprachen, sind wir oft auf Unverständnis gestoßen. Zu schlecht ist das Image dieses Landes in der westlichen Welt und die Abschottung gegen alle vornehmlich westlichen und weltlichen Einflüsse von außen haben nicht gerade zur Verbesserung dieses Images beigetragen. Saudi-Arabien war über viele Jahrzehnte eine „Terra Incognita“ für Touristen und Reisende wie uns. Fast unbemerkt von der sogenannten westlichen Welt wurde vor einigen Jahren mit der Vision 2030 in der saudischen Gesellschaft ein Transformationsprozess eingeleitet, um die Zukunftsfähigkeit auch ohne Einnahmen durch die Ölquellen zu sichern. Eine Maßnahme war kurz vor der Corona-Pandemie die Öffnung des Landes für ausländische Besucher und die Einführung eines sehr einfachen E-Visa-Verfahrens, das einen Aufenthalt an 90 Tagen innerhalb eines Jahres ermöglicht.
Diese Chance wollten wir uns nicht entgehen lassen. Dabei hatten wir die vielen kulturellen und landschaftlichen Highlights des Landes im Blick, über die es aber nur wenige Berichte, geschweige denn aktuelle Reiseführer und Straßenkarten gibt. Aufgrund unseres Interesses für alte Karawanenwege stand u. a. auch die Erkundung der Jahrtausende alten Weihrauchstraße vom Jemen und Oman bis in den Mittelmeerraum in unserem Fokus.
Megacity Riad
Die Hauptstadt Riad mit 7,6 Millionen Einwohnern ist unser erstes Ziel in Saudi-Arabien. Vom Irak kommend mussten wir über Kuwait nach Saudi-Arabien einreisen, da es noch keinen direkten Grenzübergang zwischen dem Irak und Saudi-Arabien gibt. Der vor kurzem wiedereröffnete Grenzübergang bei Arar ist bisher den Pilgern und dem Warenverkehr vorbehalten.
Die saudische Metropole Riad bietet eine beeindruckende Mischung aus interessanten, architektonischen Stilen mit hypermodernen Wolkenkratzern und Einkaufszentren bis hin zum 150 Jahre alten Fort Masmak im Herzen der Stadt. In dieser Zitadelle aus Ton und Lehm wurde 1902 mit der Eroberung durch König Abd al-Aziz Ibn Saud der Grundstein für ein vereintes Saudi-Arabien gelegt. Die Ausstellung im Fort gibt uns einen sehr guten Überblick zur Geschichte des Königreiches. Leider sind das Nationalmuseum und der historische Al Turaif Bezirk – Dirija, ehemaliger Sitz der Familie Saud - wegen umfassender Rekonstruktionsarbeiten geschlossen. Vielleicht haben wir bei unserem nächsten Besuch im April 2023 mehr Glück.
Wie in allen Metropolen der Welt, ist die Bewältigung des Straßenverkehrs in der Hauptstadt eine besondere Herausforderung; besonders in der Rush-Hour. Ein modernes Stadtbahnnetz soll hier aber künftig Erleichterung bringen. Die vielen zerbeulten Autos sind uns ein warnendes Signal.
Ganz in der Nähe von Riad ist ein Besuch des „Edge Of The World“ - eine beeindruckende Canyon- und Cliff-Landschaft - sicherlich ein Highlight unserer Reise durch Saudi-Arabien. Wir wählen die herausfordernde Offroad-Route über ein Wüstenplateau, um direkt an der Abbruchkante unser Camp aufzuschlagen. Einfach nur toll!
Wüsten, Oasen, Wadis und Vulkane
Von Riad aus sind wir zunächst durch den zentralen Teil von Saudi-Arabien in nordwestlicher Richtung gefahren, um den hohen Temperaturen von über 40 Grad in den südlichen Landesteilen zu entkommen. Ja, wir sind im September wirklich etwas zu früh in dieser Region unterwegs. Glücklicherweise kommen wir in dem Land, das sechsmal so groß wie Deutschland ist, auf den sehr gut ausgebauten, meist mehrspurigen Straßen und Autobahnen aber sehr schnell von A nach B.
Unser erster Stopp ist die Stadt Shaqra, die mit der Verbreitung des Islams eine bedeutende Pilgerstadt auf der Route nach Mekka wurde. Wir streifen als einzige Touristen durch die beschauliche Altstadt mit den kleinen Gassen und traditionellen Lehmhäusern. Sehr interessant ist auch die nur 20 Kilometer entfernte Altstadt von Ushaiger mit einer großen Stadtmauer und einem kleinen Museum. Richtig lebhaft wird es in Buraydah. Durch diese Stadt führte einst die Pilgerroute von Bagdad nach Mekka. Hier befindet sich neben der weltgrößten Dattelplantage auch der landesweit berühmte Kamelmarkt. Wir können das quirlige Treiben und die Tierauktionen auf einem doch sehr modernen Marktplatz hautnah miterleben. Ersteigerte Kamele werden hier für den Abtransport mit Kränen auf Lastwagen gehoben.
Auf einer ziemlich langweiligen und vollständig eingezäunten Autobahn fahren wir nach Ha’il. Auf dieser Strecke sind Tankstellen, Rast- und Parkplätze absolute Mangelware. Unterwegs statten wir der kleinen Oase Fayd mit einem aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. stammenden Fort aus Vulkangestein noch einen Besuch ab. Selbst Ibn Battuta - der Marco-Polo der arabischen Welt - hat in seinen Reiseberichten die Quellen von Fayd erwähnt.
Am südlichen Rand der Nefud-Wüste liegt die bedeutende Handelsstadt Ha’il. Wie in Riad stehen wir auch hier beim örtlichen Museum und dem Qishlah Fort wegen umfassender Renovierungsarbeiten vor verschlossenen Türen. Da ist das Internet nicht sehr hilfreich, denn hier werden noch Öffnungszeiten genannt, obwohl die Kulturstätten schon seit Monaten geschlossen sind. Aber beim Arif Fort haben wir Glück; dieses Fort ist restauriert und wir können es besichtigen.
Von Ha’il aus unternehmen wir mehrere Offroad-Touren in die Nefud-Wüste durch traumhafte Felsenlandschaften mit Canyons und natürlichen Steinbrücken. Die Passagen sind stellenweise herausfordernd, die Dünen sind steil und hoch und der Sand ist sehr weich. Da hilft auch Luftablassen der Reifen auf 0,8 bar nur begrenzt. Wir müssen mehrmals Anlauf nehmen und öfter auch unseren Toyota freischaufeln. Wieder in Geröllfeldern angekommen, müssen die Reifen mit unserem Kompressor aufblasen werden, um Reifenschäden zu vermeiden. Auch wenn diese Touren immer sehr schweißtreibend sind, so werden wir am Abend hier mit traumhaften Camps belohnt. Nur schade, dass es in Saudi-Arabien kein Bier oder Wein gibt.
Ein absolutes Highlight sind die berühmten Felszeichnungen in der Oase Jubbah, die wir auf einer brandneuen, sechsspurigen (!) und total leeren Autobahn erreichen. An einer sechs Kilometer langen Felswand befinden sich bis zu 12.000 Zeichnungen und diverse Petroglyphen aus unterschiedlichen Zeitepochen bis zu 9500 Jahre v. Chr. Einige Schriften stammen auch von dem Händlervolksstamm der Nabatäer. Zufällig treffen wir hier auf einen Experten für arabische Schriften, der uns einige der Botschaften aus der Vergangenheit vorliest. Die Inhalte der kurzen Nachrichten sind mit den heutigen Twitter-Botschaften durchaus vergleichbar. Wir sehen Petroglyphen, die Jagdszenen zeigen und Tiere wie Geparden, Kamele, Antilopen, Straußvögel und Ochsen sowie Menschen, die tanzen, beten oder kämpfen. Das Highlight in Jubbah ist aber sicher der Streitwagen, der von zwei Pferden gezogen wird.
Die weiter nördlich gelegene Oasenstadt Dumat al-Jandal war ein wichtiger Versorgungspunkt für Karawanen, die zu Zeiten der Seidenstraße aus Bagdad kamen und weiter nach Norden über Palmyra im heutigen Syrien bis ans Mittelmeer zogen. In der Altstadt besuchen wir die Qasr Marid Zitadelle. Das örtliche Museum ist leider mal wieder geschlossen. Wir sollen in 3 bis 5 Jahren wiederkommen. Dumat al-Jandal ist der nördlichste Punkt unserer Reise durch Saudi-Arabien.
Für uns geht dann weiter in die absolut faszinierende Wadi-Landschaft nördlich von Tabuk, die als Fortsetzung des angrenzenden Wadi Rum in Jordanien mindestens genauso sehenswert ist. Im Gegensatz zum Wadi Rum ist das ganze Naturschutzgebiet frei befahrbar und – von einigen Kamelhirten abgesehen – absolut menschenleer. Mit den riesigen Felstürmen kann man die Landschaft durchaus als Monument Valley von Saudi-Arabien bezeichnen. In Al Bad besichtigen wir dann noch ein Gebiet mit den in Felsen geschlagenen Nabatäer-Gräbern, die im Gegensatz zu Hegra frei zugänglich sind. An der Größe und den Verzierungen der Felsfronten und Eingänge lässt sich die Stellung und der Reichtum des Verstorbenen erahnen. Da das Tourismusprojekt Neom diese Region für eine Vermarktung im Blick hat, empfehlen wir einen baldigen Besuch.
Stellvertretend für die vielen Wadis in Saudi-Arabien wollen wir hier noch das Wadi Disah (auch Wadi Qaraqir genannt) südlich von Tabuk erwähnen, dass ebenfalls zu den Highlights unserer Reise gehört. Wir fahren im Wadi Disah durch die unterschiedlichsten, bis zu 300 Meter hohen roten Sandsteinformationen auf sandigen Pisten. Teilweise sind die Routen mit ihren steinigen Passagen sehr anspruchsvoll. Die engen Canyons können wir nur zu Fuß erkunden. Nach einem traumhaften Camp in einem Seitental verlassen wir das Wadi in westlicher Richtung, durchqueren Wasserstellen und dichte Schilfgebiete. Diese Region sollte man an saudischen Wochenenden meiden, weil sie bei der lokalen Bevölkerung als Ausflugsziel sehr beliebt ist.
Auf der weiteren Fahrt in südlicher Richtung pendeln wir zwischen den Gebirgsregionen und der Küstenlinie am Roten Meer. Um alle Highlights zu sehen, durchqueren wir das Hedschas-Gebirge dabei mehrfach.
Weiter südlich erreichen wir die grüne Oasenstadt Khaybar, die von einer 14.000 Quadratkilometer großen Vulkanlandschaft umgeben ist. Die zerfallene Altstadt ist wegen einer möglichen Gefährdung durch herabfallende Steine für Besucher gesperrt und so werden wir von der Polizei freundlich aber bestimmt hinausgebeten. Wir folgen den Pisten über Vulkanasche an erkalteten Lavaströmen vorbei bis zu einem Gebiet mit einem weißen und einem schwarzen Vulkankegel in unmittelbarer Nachbarschaft. Unterhalb dieser 2000 Meter hohen Krater schlagen wir in einem windgeschützten Canyon unser Nachtlager auf und erleben verschiedene, wunderschöne Lichtstimmungen an den Vulkanen. So unwirtlich diese Landschaft ist, so faszinierend ist sie auch. Ganz in der Nähe klettern wir noch in eine riesige Höhle, die unter dem Lavafeld liegt.
Ein weiteres „Vulkan-Highlight“ ist der weiter südlich gelegene Waabah Krater mit einem Kraterrand von vier Kilometern und einer Tiefe von 250 Metern. Direkt am Kraterrand kann man ungestört das Camp aufschlagen. Ein Abstieg in den Krater ist wegen der vielen Unfälle inzwischen leider verboten.
Der Exodus im biblischen Land Midiam
Bei der Onlinesuche nach interessanten Reisezielen im Norden Saudi-Arabiens sind wir eher durch Zufall auf einen riesigen gespaltenen Felsen aufmerksam geworden. Unsere weitere Recherche führte uns sehr schnell zu den biblischen Geschichten des Alten Testaments mit den Fünf Büchern Mose und dem Auszug der Israeliten aus Ägypten vor etwa 3450 Jahren, dem sogenannten Exodus. Im Nordwesten Saudi-Arabiens, östlich des Golfes von Akaba, soll das biblische Land Midiam gelegen haben. Viele Details sprechen dafür, dass hier die Heimat des Propheten Moses war und später auch die Route des Exodus durch Midiam verlief. Nach neuen Erkenntnissen vieler Wissenschaftler befindet sich der Berg, wo Mose die 10 Gebote empfangen hat, in Saudi-Arabien und nicht in Ägypten. Viele geografische Beschreibungen aus der Bibel passen zu dieser Gegend und stützen die Hypothese, dass der Jabal al Lawz der in der Bibel erwähnte Berg Sinai ist. Das gilt auch für den Altar des Goldenen Kalbes und den gespaltenen Felsen.
All das hat uns sehr neugierig gemacht und wir sind über teils sandige Pisten zum Jabal al Lawz gefahren, um die vermeintlichen biblischen Orte zu suchen. Dort fanden wir tatsächlich einen riesigen, gespaltenen Felsen und eine altarartige Felskonstruktion am Fuß des Jabal al Lawz, dessen Aussehen und Lage ziemlich genau zu den biblischen Beschreibungen passt. Die saudischen Behörden haben diese Orte inzwischen durch Zäune geschützt. Wer sich selbst hierzu ein Bild machen möchte, dem sei das Buch „Die Akte Exodus“ von Dr. Lennart Möller empfohlen.
Strandsuche am Roten Meer
Während unserer Tauchurlaube auf der ägyptischen Seite des Roten Meeres vor einigen Jahren war die saudische Küste oft in Sichtweite und dennoch für uns unerreichbar. Weil es in Saudi-Arabien so gut wie keinen Tauchtourismus gibt, hoffen wir auf eine unberührte Unterwasserwelt und traumhafte Beachcamps an der mehr als 2000 Kilometer langen Küste. Um es gleich vorweg zu nehmen: Unsere Erwartungen werden nur teilweise erfüllt.
Am Golf von Akaba hat die ungefähr 150 Kilometer lange Küste weitestgehend ihre Ursprünglichkeit erhalten. Direkt am Meer liegt der etwas verlassen wirkende Ort Maqna. Auffällig ist hier die starke Präsenz des Militärs und der Küstenwache. Und es dauert auch nicht lange, bis wir von der Küstenwache den ersten „Campbesuch“ bekommen. Man bittet uns, nicht am Strand zu übernachten. Picknicken und Angeln ist erlaubt und ein Camp im Hinterland wäre kein Problem. Aber unsere Schnorchel-Ambitionen werden kritisch gesehen. Beharrlichkeit zahlt sich hier aus und wir erleben eine grandiose Unterwasserwelt sowie unberührte Korallenriffe. Was für ein farbenfroher Kontrast zur kargen Wüsten- und Felslandschaft am Strand.
Die Küstenwache ist am Roten Meer allgegenwärtig und lässt freies Campen so gut wie nie zu. Da hilft auch kein Verhandeln mit den Offizieren. Ausnahmen werden aber an öffentlichen Stränden in der Nähe von Ortschaften gemacht. Immerhin werden diese Strände hier sehr sauber gehalten, es gibt Schattenspender und an einigen Stellen sogar Süßwasserduschen. Das Meer ist allerding sehr flach, Korallen gibt es nicht und nachts ist der ganze Strand durch Straßenlaternen hell erleuchtet. Man muss wissen, dass Saudis meist nicht schwimmen können und Badeurlaub nicht kennen. In der Nähe von einheimischen Strandgästen ist unsere westliche Freizügigkeit beim Schnorcheln und Baden leider etwas eingeschränkt. Von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, machen wir diese Erfahrungen an der gesamten Küste des Roten Meeres. Die nördliche Küste wird für den Tourismus im Rahmen des Neom-Projektes erschlossen und ist in weiten Teilen eine riesige Baustelle. Im beschaulichen Küstenort Magna wurden die Einwohner umgesiedelt und alles von Bulldozern platt gemacht.
Weiter südlich werden viele Küstenstreifen wirtschaftlich genutzt, sind militärische Sperrgebiete oder eingezäunte Naturschutzgebiete. Das macht es für uns schwierig, einsame Camps am Meer zu finden. Rund um Rabigh haben wir aber Glück und finden einen sehr schönen Platz mit einem vorgelagerten Korallenriff. Einzig der viele Müll unserer Vorgänger stört etwas. Wir sind gespannt, ob und wie sich der Bade- und Tauchtourismus in Zukunft in Saudi-Arabien entwickeln wird. Die ersten Tourismusprojekte in einem Archipel mit 90 Inseln vor der Küste der Provinz Tabuk stehen kurz vor der Fertigstellung.
Auf den Spuren der Hedschasbahn nach Medina und Mekka
Inspiriert durch die Berichte von Lawrence von Arabien und den Kämpfen im Ersten Weltkrieg zwischen arabischen Stämmen und den Osmanen, haben wir an vielen Stellen nach Überresten der Hedschasbahn gesucht, die damals ein bevorzugtes Angriffsziel war. Im Jahr 1908 wurde diese 1600 Kilometer lange Bahnverbindung von Syrien bis nach Medina ursprünglich für den Transport von Pilgern gebaut und später von den Osmanen militärisch genutzt. Die Planungen für die Weiterführung bis nach Mekka und in den Jemen wurden allerdings nie umgesetzt und nach der Zerstörung der Bahnlinie bereits 1920 aufgegeben.
Noch heute sind an vielen Stellen die ursprünglichen Bahntrassen, Gebäude und sogar ganze Züge zu sehen und die saudische Regierung lässt diese Einrichtungen nach und nach sanieren.
Ein Höhepunkt unserer Entdeckungstour auf den Spuren der Hedschasbahn ist das aufwändig restaurierte Bahngelände am Endbahnhof in Medina, das zu einem sehr sehenswerten Museum ausgebaut wurde. An Wochenenden ist das Gelände Ziel für Familienausflüge mit einer sehr angenehmen Atmosphäre. Wenn man bedenkt, dass Medina noch bis vor kurzem wegen der Grabmoschee des Propheten Mohammed für Nicht-Moslems eine verbotene Stadt war, dann können wir über diese neuen Besuchsmöglichkeit nur staunen.
Für uns ist es überhaupt kein Problem, bis zum heiligen (Haram-) Bezirk der Grabmoschee zu gehen und als gefühlt einzige Nicht-Moslems die besondere Stimmung an diesem Pilgerort auf uns wirken zu lassen. Allerdings ist der Zutritt in die Moschee weiterhin nur den Moslems vorbehalten. Für Nicht-Moslime und besonders für Frauen sind angemessene Kleidung und ein Kopftuch nötig.
Dieser Schritt der Öffnung ist für Mekka, der heiligsten Stadt des Islam und Sehnsuchtsziel vieler muslimischer Pilger aus der ganzen Welt, bisher nicht vollzogen worden. Hier müssen wir die Stadt auf einer sechsspurigen Straße für „Non-Moslems“ umfahren. Bis zur Haram-Grenze fahren wir noch in Richtung Innenstadt und können am Horizont immerhin den berühmten 600 Meter hohen Uhrenturm am heiligen Bezirk sehen.
Stopover in Jeddah
Im Gegensatz zur Finanzmetropole Riad ist die am Roten Meer gelegene Hafenstadt Jeddah seit jeher vom Seehandel geprägt. Die vielen alten Handelshäuser in der Altstadt zeugen von dieser glorreichen Historie. Überall wird großflächig restauriert. In Jeddah liegt auch der Ankunftshafen der Pilger für die Haddsch nach Mekka. Über 2 Millionen Pilger ohne Aufenthaltserlaubnis sind im Laufe der letzten Jahre in der Stadt geblieben und in der Nähe des Hafens entstand ein Hotspot der Illegalität und Kriminalität. Der Kronprinz hat kürzlich alle illegalen Bewohner ausgewiesen und den gesamten Bezirk abreißen lassen. Hier entsteht demnächst ein komplett neues, innovatives Stadtviertel.
Hauptgrund für unseren Besuch in Jeddah war die Reparatur der Klimaanlage unseres Toyotas. Mit der Unterstützung eines sehr hilfsbereiten Saudis aus Riad können wir nach besonders anstrengenden zehn Tagen ohne Klimaanlage das Ersatzteil in der Lexus-Vertretung in Empfang nehmen und einbauen lassen. Der Serviceleiter und das ganze Team haben sich sehr um uns und unser Fahrzeug bemüht. Oft wurde uns gesagt, dass man Gästen des Landes helfen möchte und so mussten wir auch nicht auf einen Reparaturtermin warten.
Entlang der Weihrauchstraße
Neben der Seidenstraße von China bis in den Mittelmeerraum war die sogenannte Weihrauchstraße eine zweite große Handelsroute und kulturelle Verbindung zwischen Orient und Okzident. Auf dieser etwa 3000 Kilometer langen Wüstenroute wurden in ihrer Blütezeit von 600 v. Chr. bis 500 n. Chr. hauptsächlich Weihrauch und Myrrhe aber auch viele Gewürze wie Safran und andere Handelsgüter aus Südarabien in den Norden bis nach Alexandria, Damaskus, Byzanz und Rom transportiert. Das kostbare Weihrauchharz aus dem geheimnisvollen Reich der Königin von Saba in Südarabien wurde damals mit Gold aufgewogen. Die wirkliche Herkunft des Weihrauchs konnte – ähnlich wie bei der Seidenherstellung – lange geheim gehalten werden.
Das Weihrauchharz aus dem Gebiet des heutigen Jemen und Oman war ein sehr begehrtes und wertvolles Handelsgut, das entlang der Karawanenwege für Wohlstand und kultureller Entwicklung sorgte. Einer der bedeutenden Karawanenführer und Kaufmann war der in Mekka geborene Prophet Mohammed.
Wir hatten die Plantagen der Weihrauchbäume im Oman bereits auf unseren Reisen 2016/17 besucht und sind den alten Karawanenwegen durch die südliche Rub-al Khali Wüste bis zur jemenitischen und saudischen Grenze gefolgt. Die antike Nabatäerstadt Petra im heutigen Jordanien haben wir 2002 besichtigt und konnten dort entlang der alten Königsstraße bis nach Damaskus fahren. Da liegt es nahe, auch die Weihrauchstraße in Saudi-Arabien zu erkunden. Leider wird uns die Teilstrecke im Jemen wegen des Krieges wahrscheinlich noch lange Zeit verschlossen bleiben.
Ein wichtiges Handelszentrum der damaligen Zeit war die Stadt Najran an der jemenitischen Grenze. Najran ist die momentan am schnellsten wachsende Stadt in Saudi-Arabien. Bis heute schwelt hier aber der Konflikt zwischen den Stämmen des Nordjemens und des südwestlichen Teils Saudi-Arabiens. Bei unserer Fahrt durch diese Grenzregion sind wir ständig unter Beobachtung von Sicherheitskräften, die uns in ihren zivilen Fahrzeugen „unauffällig“ folgen.
Angehörige eines lokalen Stammes in Najran laden uns ein und lassen uns an ihrem Alltagsleben teilhaben. Man zeigt uns die liebevoll gepflegten Oasen, wo Obst und Gemüse angebaut wird und wir können die sehr gut erhaltenen mehrstöckigen traditionellen Wohntürme aus Lehm besichtigen sowie über den wirklich authentischen Basar mit seinen vielen kleinen Handwerksbetrieben schlendern. Wir sind in Najran als Fremde gekommen und haben diesen Ort als Freunde verlassen. Wie an vielen Orten in Saudi-Arabien ist die Gastfreundschaft auch hier überwältigend.
Weiter im Norden folgen die Karawanenwege dem Asir-Gebirge parallel zum Roten Meer bis nach Mekka. In einer eher ungewohnt grünen Gebirgslandschaft erleben wir auf einer Höhe von knapp 3000 Metern bei 3°C unsere kälteste Nacht. Hier schlängelt sich eine Gebirgsstraße bis in das sehr sehenswerte Dorf Rijal Alma mit seinen teils sechsstöckigen dunklen Schiefer-Häusern im jemenitischen Baustil. Die spektakuläre Burganlage Zee al-Ayn auf einem weißen Marmorfelsen und der angrenzende Garten mit Frischwasserquellen ist absolut sehenswert. Im Besucherzentrum gibt es eine interessante Ausstellung zur umliegenden Region. Die vielen Wachtürme und Burganlagen in diesem gut bewässerten grünen Tal sind Zeugen einer Zeit als die Karawanen hier durchgezogen sind.
Natürlich werden die Gebirgsregionen gerade in den heißen Sommermonaten auch von den Saudis geschätzt. Der einheimische Tourismus ist hier sehr ausgeprägt und lässt uns schnell weiterziehen.
Weiter verlief die Weihrauchstraße über Mekka und Medina bis in das Tal der Oase von Al-Ula mit der historischen Handelsmetropole Hegra. Hier werden seit einiger Zeit die versandeten Siedlungen des ehemaligen Volkes der Nabatäer ausgegraben. Die über 100 bemerkenswert gut erhaltenen in Sandstein gemeißelten Grabhöhlen einer Totenstadt der Nabatäer erinnert uns an Petra im heutigen Jordanien.
In der erst 2008 von Archäologen freigelegten Königsstadt Dedan besichtigen wir Tempelruinen, Zisternen und antike Stadtmauern. Hinter der Palmenoase führt eine Steintreppe auf den heiligen Berg – der Weg in den Himmel. Und am nahe gelegenen Berg Ekma haben Schriftgelehrte bereits vor 9000 Jahren Wünsche und Führbitten in den Felsen gemeißelt und diese interessanten Botschaften der Nachwelt hinterlassen.
Als erstes UNESCO-Weltkulturerbe Saudi-Arabiens ist das Tal von Al-Ula vollkommen touristisch erschlossen und durchorganisiert. Hier müssen wir dann auch von unserem Toyota in einen vorgebuchten Luxusbus mit Guide und später noch in einen elektrisch angetriebenen Golf-Caddys umsteigen. Wir können aber auch verstehen, dass die einmaligen Monumente und Felszeichnungen durch diese Maßnahmen vor dem erwarteten Massentourismus geschützt werden sollen.
Von Al-Ula aus folgten die Karawanen an der östlichen Seite dem Hedschas-Gebirge über Tabuk bis in das 500 Kilometer entfernte Petra. Nordöstlich kreuzt eine Nebenroute der Seidenstraße von Bagdad aus kommend die Weihrauchstraße.
Vision 2030 - mit traditionellen Werten in die Zukunft
Bei unseren Überlandfahrten und in den Städten weisen überall große Banner und Flaggen auf die im Jahr 2016 erstmals verkündete Vision 2030 hin. Sie gilt als richtungsweisend für die Modernisierung Saudi-Arabiens auf dem Weg zu einer dynamischen Gesellschaft und einer blühenden, wettbewerbsfähigen Wirtschaft, unabhängig von den Erträgen aus dem Öl-Geschäft. Mentor dieser Vision ist Prinz Mohammed bin Salman Al Saud mit Unterstützung seines Vaters. Die Förderung des Tourismus ist nur eines der 13 Umsetzungsprogramme dieser Vision, die ökonomische, ökologische, bildungspolitische, kulturelle, soziale und religiöse Handlungsfelder betreffen. Neben den ökonomischen Zwängen durch die perspektivisch nachlassenden Öleinnahmen, ist es die Jugend Saudi-Arabiens, die auf einen Wandel pocht. Immerhin sind 41% der Saudis unter 24 Jahre alt.
Bei den vielen interessanten und offenen Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung hatten wir das Gefühl, dass die anstehenden Veränderungen besonders von der Jugend sehr positiv gesehen werden. So treffen wir Unternehmerinnen, deren Start-Ups durch die staatliche Investitionsbank gefördert werden und viele selbstbewusste Frauen, für die der Kopftuchzwang oder das Autofahrverbot schon lange kein Thema mehr sind. Das Vormundschaftsgesetz wurde gelockert und die Macht der Religionspolizei durch den Kronprinzen eingeschränkt. Auch wurde das besonders in Katar in die Kritik geratene sogenannte Kafala-System für die ca. 11 Millionen Fremdarbeitenden inzwischen durch ein Vertragssystem ersetzt. Die jährlich ausgetragene Rallye Dakar und viele weitere internationale Sport- und Kulturveranstaltung sollen das Bild eines weltoffenen Landes vermitteln. Bei allem Fortschritt stellen wir bei unseren Gesprächen aber auch ein sehr ausgeprägtes Traditionsbewusstsein mit einer Mischung aus nationalem Stolz fest. Wir hoffen, dass auch unsere Medien beginnen, diese gesellschaftlichen Entwicklungen in einem „richtigen bzw. angemessenen Licht“ darzustellen.
Ein sehr spannendes Projekt im Rahmen der Vision 2030 ist die Zukunftsregion NEOM auf einer Fläche, die mit der Belgiens vergleichbar ist. Hier wird u.a. unter der Bezeichnung THE LINE eine klimaneutrale und nachhaltige Stadt der Zukunft für urbanes (autofreies) Leben gebaut. Im Zentrum stehen zwei Gebäudeblöcke von 170 Kilometer Länge, die bis zu 500 Meter hoch werden sollen. Von der Ernsthaftigkeit dieses Projektes konnten wir uns auf diversen Megabaustellen und Straßenumleitungen im Nordwesten des Landes überzeugen. Der Preis für diesen Fortschritt ist aber die Verdrängung der traditionellen Lebensweise, die mit der Umsiedlung der lokalen Bevölkerung einhergeht.
Unterwegs in Saudi-Arabien
Da es über Saudi-Arabien wenige aktuelle und aussagekräftige Reiseberichte gibt, waren wir sehr neugierig, wie es uns wohl auf unserer Reise ergehen würde. In einigen Ecken des Landes haben wir das Gefühl, die ersten nichtarabischen Besucher mit einem ausländischen Auto zu sein. Die lokale Bevölkerung ist uns gegenüber ausnahmslos immer offen und freundlich. Fast alle Begegnungen enden mit einer Einladung in ein arabisches Zuhause inklusive Selfies und Instagram-Interviews. Die Gastfreundschaft ist einfach unbeschreiblich. Leider müssen wir diese wirklich sehr ernst gemeinten Einladungen sehr oft ablehnen, um nicht zu sehr auf unserer Tour in Zeitverzug zu kommen.
Die gute Bildung - sowohl der Frauen als auch der Männer - hätten wir so nicht erwartet. Man ist im Allgemeinen über die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland und Europa gut informiert. Dabei ist es für uns sehr angenehm, dass wir uns fast überall auf Englisch verständigen können.
Das Alltagsleben in der Öffentlichkeit wirkt auf uns noch sehr traditionell. Die Frauen tragen überwiegend eine schwarze Abaya und verschleiern ihr Gesicht mit einem Niqab, obwohl es dafür keine gesetzlichen Vorschriften mehr gibt. Diese „neue Freiheit“ in Bezug auf die Kleidung wird von den Frauen aus Respekt vor ihrer Kultur und Tradition aber nur langsam umgesetzt. Viele, vor allem junge Männer haben ihr weißes, traditionelles Gewand (Thobe) bereits gegen westliche Kleidung getauscht. Dennoch sollte man als ausländischer Besucher aus Respekt angemessene Kleidung tragen.
Überall in Saudi-Arabien spüren wir eine Aufbruchstimmung und Motivation die Vision 2030 Realität werden zu lassen. Man vertraut dabei auf den Kronprinzen Bin Salman, der kürzlich zum Premierminister ernannt wurde. Mit extremer Geschwindigkeit werden große Infrastrukturprojekte umgesetzt. Wir können nur hoffen, dass alle Menschen bei dieser schnellen Transformation mitgenommen werden, weil das Land noch sehr von einer traditionellen Stammesgesellschaft geprägt ist.
Der Alltag auf unserer Reise durch Saudi-Arabien ist einfach zu organisieren. Außerhalb von militärischen Sperr- und Grenzgebieten finden wir sehr schnell freie Camps in einer meist tollen Umgebung. Für die Überlandfahrten steht inzwischen ein sehr gutes Straßen- und Autobahnnetz zur Verfügung. An den Raststätten finden wir immer gut sortierte Lebensmittelgeschäfte, Geldautomaten und natürlich auch Tankstellen mit Dieselkraftstoff zu traumhaften Konditionen für ca. 0,16 € (!) pro Liter. Bezahlt wird überwiegend mit Kreditkarte. In den Städten haben wir uns manchmal in Hotels eingebucht, die problemlos über internationale Buchungsplattformen reserviert werden können. Die Hotelpreise sind deutlich niedriger als bei uns, nur nicht gerade im Luxussegment. Saudi-Arabien gilt als ein absolut sicheres Reiseland, so dass wir uns frei und ungezwungen bewegen können. Auch beim längeren Abstellen unseres Toyotas müssen wir uns keine Sorgen machen.
Wir erlebten ein (noch) sehr authentisches Reiseland mit einer vielfältigen Natur, Kultur, Historie und sehr gastfreundlichen Menschen, das sich in naher Zukunft durch den umfassenden Transformationsprozess verändern wird. Vielleicht gelingt es in der Zukunft, einige Kritikpunkte aus der westlichen Welt zu beseitigen und für eine Imageverbesserung zu sorgen, denn momentan sieht sich Saudi-Arabien nach offiziellen Verlautbarungen als eines der am meisten missverstandenen Länder weltweit bezüglich Religion, Kultur und historischem Erbe.
Wer das ursprüngliche Saudi-Arabien erleben möchte, sollte dieses Land bald besuchen.
Im März 2023 werden wir von Dubai aus wieder nach Saudi-Arabien aufbrechen. Wir sind sehr gespannt, was wir in diesem interessanten Land noch alles entdecken werden.
Hier noch einige Impressionen von unserer bisherigen Tour:
(Für die Bildbeschreibungen bitte mit dem Mauszeiger auf die Bilder zeigen)