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Berlin - Babylon - Bagdad (September 2022)

Am Eingang von Babylon
Am Eingang von Babylon

Noch nie haben wir so lange in den Startlöchern gestanden, um wieder eine längere Reise außerhalb Europas unternehmen zu können. Seit Jahren planen wir, neue Routen entlang historischer Karawanenwege auf der Arabischen Halbinsel mit unserem Toyota zu bereisen. Gestern wie heute sind dabei Babylon und Bagdad Knotenpunkte und Sehnsuchtsziele von vielen Reisenden und natürlich auch von uns. Auf unserer Reise sollen wir eine sehr interessante Mischung aus bedeutenden Orten der Antike und einer durchaus schwierigen Gegenwart nach jahrzehntelangen Kriegen erleben. Zum Glück wurden nach der Corona-Pandemie viele Landesgrenzen wieder geöffnet und die Einreiseregelungen blieben stabil, was für eine längerfristige Planung sehr wichtig ist. Um auf dem Landweg nach Babylon und weiter nach Saudi-Arabien zu fahren, war es eine Voraussetzung, dass die Sicherheitslage im Irak stabil ist und sich Saudi-Arabien nach vielen Jahrzehnten als „touristische No-Go-Area“ für Reisende geöffnet hat. Somit konnte auch endlich eine Reise in das sogenannte Zweistromland - dem heutigen Irak - für uns Realität werden. Ende August 2022 sind wir von Berlin aus über den Balkan, die Türkei und den Iran gestartet, um zunächst in Richtung Babylon und dann weiter nach Bagdad zu fahren. Saudi-Arabien konnten wir bei der Weiterreise nur über einen Umweg durch Kuwait erreichen, weil nach offiziellen Verlautbarungen für Touristen kein direkter Grenzübergang in den Irak geöffnet ist. Über unsere sehr erlebnisreiche, siebenwöchige Tour durch Saudi-Arabien werden wir demnächst an dieser Stelle berichten. Für eine weihnachtliche Reisepause haben wir im Dezember 2022 unseren Toyota in Dubai vorübergehend abgestellt, um im März 2023 die Rückreise anzutreten.

Anreise über den Balkan, Türkei und Iran

Da wir den größten Teil unserer dreimonatigen Auszeit auf der Arabischen Halbinsel verbringen wollen, durchqueren wir die Türkei zügig. Im nordwestlichen Iran folgen wir dann den historischen Karawanenwegen von Rey (dem heutigen Teheran) bis nach Bagdad. Über den Grenzübergang Shalamcheh reisen wir in den Irak ein.

Unser erster längerer Aufenthalt in der Türkei ist die Region Ostanatolien, die man mittlerweile über teils 8-spurige Autobahnen und gute Landstraßen schnell erreicht. Die Türkei hat in den letzten Jahren sehr viel in eine moderne Infrastruktur investiert. Trotz dieser rasanten Entwicklung sind die Menschen so liebenswert und gastfreundlich geblieben, wie wir sie von unseren Reisen in den letzten Jahrzehnten noch in Erinnerung hatten. Ostanatolien ist landschaftlich und kulturhistorisch wirklich ein absolutes Highlight in der Türkei.

Wie schon 2002 wollen wir nochmals den Nemrud Krater besuchen. Dieser ruhende Schichtvulkan am Berg Nemrud hat uns mit seiner bizarren Schönheit schon damals sehr beeindruckt. Heute führt eine asphaltierte Straße 20 Kilometer bis zum Kraterrand auf eine Höhe von 2200 Metern. Inzwischen gibt es hier sogar einen Skilift. Im Kraterinneren hat sich seit unserem ersten Besuch nichts verändert. Viele Wege führen zu den beiden Kraterseen und den teils ausgetrockneten Wasserflächen. Wo die 4x4-Pisten enden muss man dann die Wanderstiefel rausholen, um die gigantischen Ausblicke zu genießen. Neu sind nur zwei Bärenfamilien, die hier seit einigen Jahren ihr Unwesen treiben und abends nach Picknickresten im Müll suchen. Wir vermeiden den Kontakt mit den hungrigen Pelztieren und schlagen unser Camp in sicherer Entfernung zum Bärenrevier am See auf.

Blick in den Nemrud Krater
Blick in den Nemrud Krater

Ganz in der Nähe liegt auf 1700 Metern der riesige Van-See, der siebenmal so groß wie der Bodensee ist und nach einer Eruption des Nemrud-Vulkans keinen natürlichen Abfluss mehr hat, was ihn zu dieser Größe anwachsen ließ. Ein sehr interessanter Zwischenstopp am nordöstlichen Ufer ist ein kirgisisches Jurten-Camp. In den letzten Jahrzehnten haben sich viele Kirgisen aus dem Pamir in dieser Region angesiedelt und lassen Reisende hier im Camp an ihrem Lebensstil aus Zentralasien teilhaben.

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2006 in Ulupamir
2006 in Ulupamir - Slideshow

Auf unserer Route in Richtung Iran haben wir noch einen ganz persönlichen Auftrag, der uns wirklich sehr am Herzen liegt. Nördlich vom Van-See liegt das Dorf Ulupamir, das wir schon vor 16 Jahren besucht hatten. Die dort lebenden Gebirgskirgisen kommen ursprünglich aus dem Hohen Pamir im Wakhan-Korridor im Nordosten Afghanistans. Sie wurden aber 1978 zu Zeiten der sowjetischen Besatzung zum Spielball der Weltpolitik und ein Teil der Menschen musste fliehen. Im eigens für sie neu gegründeten Ort Ulupamir in Ostanatolien bekamen sie Asyl und fanden dort ein neues Zuhause. Da es keinen Kontakt mehr zwischen den Geflüchteten und den zurückgebliebenen Familienangehörigen im Hohen Pamir gab, haben wir uns 2006 als Postboten in besonderer Mission angeboten und Briefe, Fotos, besprochenen Kassetten und von Kindern gemalte Bilder auf unsere weitere Reise mitgenommen. Als wir drei Monate später Afghanistan erreichten, fanden wir im Hohen Pamir während einer sehr anspruchsvollen zehntägigen Gebirgstour die zurückgebliebenen Kirgisen und konnten die Post aus der Türkei übergeben. Die Tränen des Großvaters, der erstmals ein Foto seines Enkelkindes aus Ulupamir sieht, werden wir wohl nie vergessen. Die ganze Geschichte findet man unter: Völkerwanderung nach Ulupamir und Post für den Pamir unter diesen beiden Links.

Nach 16 Jahren wieder in Ulupamir
Nach 16 Jahren wieder in Ulupamir

Aber eigentlich war unser Auftrag damit noch nicht wirklich beendet, denn die Menschen in Ulupamir haben nie erfahren, was aus ihrer Post geworden ist. Das wollen wir nun nachholen. 16 Jahre sind aber auch an Ulupamir nicht spurlos vorbeigegangen und die Moderne hat hier ebenfalls Einzug gehalten. Das Dorf hat mittlerweile eine befestigte Straße, eine größere Schule und eine neue Moschee. Auf den Weiden wurden die Yaks durch andere Nutztiere ersetzt und das Handy ist wie bei uns ein ständiger Begleiter der Menschen.

Mit dem Facebook-Administrator von Ulupamir haben wir vor unserer Ankunft Kontakt aufgenommen und unseren Besuch angekündigt, so dass man wusste, wer da mit einem Auto aus Berlin anrollt. Wir werden herzlich aufgenommen und finden sogar noch Menschen, die auch vor 16 Jahren dort gelebt haben. Vor allem die Kinder, die uns so viele Bilder mitgegeben hatten und mittlerweile erwachsen sind, erkennen sich auf den alten Fotos wieder. Wir treffen auch auf einen inzwischen sehr betagten Mann aus dem Hohen Pamir, der heute in Ulupamir lebt. Er erinnert sich sogar noch an unseren Besuch in Afghanistan. Es war wieder ein sehr ergreifender Besuch. Die ganze Dorfgemeinschaft bittet uns wiederzukommen und nicht noch einmal 16 Jahre zu warten.

Für uns geht es weiter in Richtung türkisch-iranischer Grenze, vorbei am großen und kleinen Berg Ararat. Die Grenze bei Dogubayazit ist ein größerer Grenzübergang. Wir haben uns nach langem hin und her für diese Grenze entschieden, da wir hoffen, dass die Beamten hier bei den Formalitäten für ausländischen Fahrzeuge mehr Erfahrung haben als an einem kleineren Grenzübergang weiter im Süden. Allerdings haben uns die vielen hundert schiitischen Pilger auf dem Weg in die heilige Stadt Kerbala im Irak bei der etwas chaotischen Grenzabfertigung einige Stunden Zeit gekostet.

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Im Iran angekommen erleben wir wieder diese grandiose Gastfreundschaft und verbringen einige Tage bei unseren Freunden. Über Täbriz und Teheran folgen wir dann im Westen des Landes der ehemaligen Seidenstraße nach Hamadan und Kermanshah bis an die irakische Grenze. Über eine gut ausgebaute Autobahn, dem Asien Highway No. 2, geht es hier vom iranischen Hochplateau in die irakische Tiefebene. In dieser Grenzregion gab es aber auch schon vor der Blütezeit der Seidenstraße eine Handelsstraße, die unter dem Namen „Alte Königsstraße“ bekannt war. Sie führte über Bagdad bis nach Kappadokien in der Zentraltürkei. Im Ganj Nameh-Tal wie auch an den Bisotun-Felsen befinden sich Zeugnisse dieser bewegten Epoche in Form von Steinreliefs und Keilschrifttafeln aus der Zeit von Darius I (522-486 v. Chr.) und Xerxes I (486-465 v. Chr.). Absolut sehenswert.

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Irakische Botschaft in Teheran (2002)
Irakische Botschaft in Teheran (2002)

Wir sind gerade eine Woche im Iran, als die politischen Unruhen nach dem Tod einer jungen Frau beginnen. Für uns war es etwas misslich, dass das Internet abgestellt wird und wir nur über den kostspieligen Umweg unserer deutschen SIM-Karte online arbeiten können. Ausschreitungen wie sie in den westlichen Medien gezeigt werden, sehen wir aber nicht. Nur Straßensperren in den Städten und ein hohes Polizeiaufgebot. Allerdings ist die Polizei sehr nervös und so werden wir zweimal angehalten und unser Auto nach Waffen durchsucht.

Wir verlassen den Iran voller Dankbarkeit. Es war wieder sehr inspirierend durch dieses wunderschöne Land zu reisen. Möge die Zukunft dem Iran und seinen liebenswerten Menschen gesellschaftliche Stabilität und ein friedvolles Leben bringen.

Die Haupthandelsroute der Seidenstraße zwischen Persien und Europa verlief einst über Bagdad und genau dieses kleine Teilstück der Seidenstraße im Irak fehlt noch in unserer Reisehistorie. Nun hoffen wir, dass uns die Einreise dieses Mal nicht verwehrt wird. Denn als wir 2002 in der irakischen Botschaft in Teheran ein Transitvisum über den Irak nach Jordanien beantragen wollten, wurden wir leider abgewiesen. Fünf Monate vor dem dritten Golfkrieg und der Invasion unter Führung der USA war es damals nicht mehr möglich, den Irak und Bagdad zu besuchen.

Grenzübergang Shalamcheh
Grenzübergang Shalamcheh

Zum Glück sind diese Kriegs- und Krisenzeiten weitestgehend (und hoffentlich nicht nur vorübergehend) überwunden und man bekommt das Touristenvisum sowie die Genehmigungen für das Fahrzeug bei der Einreise. Die Formalitäten bewältigen wir in einem mehrstündigen sehr unübersichtlichen Marathon am Grenzübergang Shalamcheh zwischen Baracken auf einem riesigen, staubigen Gelände. Alles wird noch handschriftlich bearbeitet und nach Aussage der Grenzbeamten überqueren in dieser Zeit nur zwei bis vier Fernreisende mit ihren Fahrzeugen pro Monat diese Grenze. Da fehlt neben den Computern sicher auch noch etwas Routine.

Irak - Land zwischen Euphrat und Tigris

Unsere Route im Irak   ( Maps data: ©2023 Google Maps GISrael)
Unsere Route im Irak ( Maps data: ©2023 Google Maps GISrael)

Der Irak, das alte Mesopotamien und die sogenannte Wiege der Menschheit hat sowohl im Mittelalter zur Hochzeit der Seidenstraße als auch in der Zeit der christlichen und vorchristlichen Ära vor mehr als 6000 Jahren eine ganz bedeutende Rolle in der Kulturentwicklung der gesamten Region gespielt. Der Irak wurde in den heutigen Grenzen aber erst vor 100 Jahren aus den osmanischen Provinzen Bagdad, Basra und Mosul gegründet.

Was verbindet man mit einem Land, das uns aus den Medien fast ausschließlich als Krisenherd bekannt ist? Es sind die Bilder von Krieg, Zerstörung, Flucht, Mangel, Hunger und der Terrororganisation Islamischer Staat. Der Irak steht als Reiseland nicht gerade im Fokus von Touristen, zudem das Auswärtige Amt auch immer noch eine Teilreisewarnung ausspricht. In der Hauptstadt Bagdad kommt es immer wieder zu Ausschreitungen, das politische System ist instabil und korrupt, die kurdischen, schiitischen und sunnitischen Volksgruppen sind zerstritten und wirtschaftliche Probleme machen den Menschen zu schaffen.

Und immer wieder wird uns die Frage gestellt: „Was wollt ihr denn im Irak?“
Wir wollen uns selbst ein Bild machen, das Land mit unseren Augen sehen, mit den Menschen sprechen und deren Alltag erleben. Wir glauben, dass unsere Medien nur ein unvollständiges Bild über dieses Land vermitteln. Unser Hauptinteresse liegt aber auch in der Kultur und der Geschichte dieser Region. Uns ist bewusst, dass der Irak kein klassisches Urlaubsland ist. Auch wenn wir uns erst daran gewöhnen müssen, so gehören die allgemeine Militärpräsenz und die vielen Check Points der Sicherheitskräfte für die Iraker zum Alltagsbild ihres Landes. Für uns sind die Sicherheitsüberprüfungen an den Kontrollposten auf den Nebenstrecken immer wieder sehr zeitraubend. Allerdings dient dieses Procedere auch unserer Sicherheit. Die Städte wirken auf uns sehr geschäftig, staubig und stickig. Von der Zerstörung der letzten Kriege ist wenig zu sehen und Vieles wurde schnell, wenn auch etwas provisorisch, wieder aufgebaut.

Auf den Spuren der kulturhistorischen Highlights

Zwischen Euphrat und Tigris konnten sich vor über 6000 Jahren u.a. im Vergleich zu Europa sehr frühzeitig Hochkulturen entwickeln, da die Arabische Halbinsel nach der letzten Eiszeit als erste Landregion lange vor den nördlichen Regionen der Erde vom Eis freigegeben wurde. Während unserer 10-tägigen über 1800 Kilometer langen Rundreise durch den Süd- und Zentralirak haben wir viele Gelegenheiten gehabt, dieses einmalige kulturelle Erbe kennenzulernen.

Von Al Basrah im Süden des Landes kommend erreichen wir Al Ourma, der Ort, wo Euphrat und Tigris zum Shatt al Arab zusammenfließen. Der Shatt al Arab endet im Persischen Golf und ist der Grenzfluss zwischen Iran und Irak. In Al Qurma soll einmal der Garten Eden gewesen sein. Und tatsächlich weist in einem kleinen Park ein Schild auf "Adam's Tree" hin. Hier wurden nach biblischer Erzählung also Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben.

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Schilfinsel im Marschland
Schilfinsel im Marschland

Unser nächstes Ziel ist das Marschland, ein 10.000 km² großes Sumpfgebiet zwischen Euphrat und Tigris – heute ein Schutzgebiet für viele Vögel und Fische. Die Region wird nach der Schneeschmelze in den nördlichen Gebirgsregionen im Frühjahr überflutet und der Boden mit fruchtbaren Sedimenten überzogen. Durch Kanäle, Dämme und kleine Inseln konnten die sogenannten Marschland-Araber das Land bewohnbar und landwirtschaftlich nutzbar machen. Wie vor 6000 Jahren zur Zeit der sumerischen Hochkultur leben die Menschen zusammen mit ihren Tieren in sog. Schilfhäusern - den Sarifa. Als Fortbewegungsmittel durch die Schilflandschaft werden ausschließlich Boote genutzt. Am frühen Morgen nimmt uns ein Fischer mit und zeigt uns diese fantastische Region, die es vielleicht bald nicht mehr geben wird, da Euphrat und Tigris durch Staudämme in der Türkei und intensive Bewässerung immer weniger Wasser führen.

Unter Saddam Hussein (Präsident von 1979 bis 2003) wurde 1985 mit der Entwässerung des Marschlandes begonnen. Die Region wurde durch Deiche trockengelegt und die beiden großen Flüsse konnten nicht mehr über die Ufer treten. Damit wollte er einen besseren und schnelleren Zugang für die irakische Armee zu den Kampfgebieten in Richtung Iran erreichen. Nach dem Sturz Saddams hat man das Marschland renaturiert, die Deiche eingerissen und Menschen wieder angesiedelt. Es brauchte einige Zeit, bis sich die Bewohner wieder mit der traditionellen Lebensweise vertraut gemacht haben. 2016 wurde das Marschland zum World Heritage erklärt.

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Ziel vieler schiitischer Pilger, die wir schon an der türkisch/iranischen Grenze gesehen haben, ist der heilige Wallfahrtsort Kerbala, um an der Arba’in-Zeremonie teilzunehmen. Hier ist 680 n Chr. Imam Hossein, Enkel des großen Propheten Mohammed, in einer Schlacht getötet worden. Die Pilger kommen mit Bussen oder Autos angereist; manchmal auch zu Fuß und tragen dabei eine Flagge mit dem Bild vom Iman Hossein. Für die 21 Millionen Pilger in 2022 werden auf den Routen nach Kerbala und in der Stadt selbst unzählige Logistikpunkte für die Verpflegung und Unterbringung eingerichtet. Der heilige Bezirk mit der Moschee und dem Grab des Iman Hossein ist aber auch ein potenzielles Ziel terroristischer Anschläge und wird deshalb lückenlos von Sicherheitskräften überwacht.

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Ankommen in Bagdad

Am Tahirplatz
Am Tahirplatz

In der Metropole Bagdad angekommen, geht es erst einmal in das kürzlich nach einer umfassenden Modernisierung wiedereröffnete Nationalmuseum. Auch wenn im Krieg viele Kulturgüter illegal außer Landes gebracht wurden, gibt es hier noch sehr viel zu sehen. Für uns ist es ein Schnelldurchlauf durch die Geschichte des Altertums bis zum Beginn der islamischen Zeit (6000 vor Chr. bis 600 nach Chr.). In der Stadt verzichten wir auf das Auto, weil wir zu Fuß und mit Motorrikschas viel schneller vorankommen.

Wir sind fasziniert von einigen Straßenzügen in der Altstadt mit wunderschönen Häuserfassaden, die allerdings dringend restauriert werden müssten. Der Bahnhof und die erste Straße in Bagdad wurden zu unserem Erstaunen von Deutschen gebaut. Wir schlendern durch enge Gassen mit vielen Geschäften und über quirlige Märkte, besuchen eine armenische Kirche und Moscheen. Heute erinnert hier nichts mehr an die Zeit von Saddam Hussein. Der Platz, wo die riesige Statue des Diktators niedergerissen wurde, ist heute eine Verkehrsinsel. Den gut bewachten grünen Regierungsbezirk, wo die letzten politischen Unruhen und gewalttätigen Ausschreitungen stattgefunden haben, sehen wir nur von Weiten.

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Sehnsuchtsziel Babylon

Eingangstor in Babylon
Eingangstor in Babylon

Keine andere Stadt dient mehr als Projektionsfläche für menschliche Sehnsüchte als Babylon. Im Altertum war Babylon eine Stadt mit über 200.000 Einwohnern, deren Strukturen ein urbanes und nach den Überlieferungen auch ein lasterhaftes Leben möglich machten. Die eigentliche Blütezeit Babylons lag zwischen 1800 und 140 v Chr. Viele Handelswege kreuzten die Stadt und machten sie zu einem wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Zentrum. In Amphoren verborgene kleine Tafeln mit Texten in Keilschrift gaben den Archäologen sehr genaue Hinweise über die damalige Lebensweise der Einwohner. Bereits vor mehreren tausend Jahren kannten Wissenschaftler in Babylon geometrische Prinzipien, wie die Einteilungen eines Kreises in 360 Grad oder der Stunde in 60 Minuten. Wir besuchen das riesige Ruinenfeld von Babylon mit dem Tempel zu Ehren des Gottes Marduk, die Prozessionsstraße und das Ischtar-Tor, dessen oberer Teil im Pergamonmuseum in Berlin steht. Von einem Archäologen erfahren wir von den Geschichten der Hängenden Gärten sowie dem Turm zu Babel und stehen ehrfürchtig in dem Raum, wo Alexander der Große gestorben ist. Leider wurden auch in Babylon während des Irak-Krieges viele Kulturgüter gestohlen.

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Um sich mit den Königen von Babylon auf eine Stufe zu stellen, hat sich Hassam Hossein direkt neben der Ruinenstadt Babylon einen riesigen Palast voller Luxus und Prunk bauen lassen. Nach dem Sturz des Diktators im Jahre 2003 wurde der Palast von der Bevölkerung gestürmt und alles von Wert geplündert. Mit etwas Überredungskunst werden uns vom Wachpersonal die oberen, eigentlich nicht zugänglichen Stockwerke des Palastes für eine Besichtigung aufgeschlossen.

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Antike Städte Uruk und Ur am Euphrat

Zikkurat von Uruk
Zikkurat von Uruk

Im Altertum lag die Stadt Uruk direkt am Euphrat und war vom 5. Jahrtausend v. Chr. bis zum 3. Jhdt. n.Chr. besiedelt. Der Mittelpunkt der Stadt ist von den zwei Kultzentren der beiden Hauptgötter geprägt. Der Anu-Tempel und der Tempelturm (Zikkurat) waren der Hauptkultort des Himmelsgottes An, während der Eanna-Bezirk das Hauptheiligtum der Göttin Inanna/Ischtar bildete. Weitere Anlagen, darunter auch der sog. Steinstifttempel - ein Bau, dessen Wände mit geometrischen Mosaiken dekoriert sind - Holzbalken von zwölf Metern Länge, Reste von Großskulpturen und Reliefs, Tierfiguren, aufwendig gestaltete Steingefäße und Rollsiegel wurden hier gefunden. Nicht zuletzt entdeckte man in Uruk die ältesten Schriftstücke mit Keilschrift auf Steinplatten. Es entwickelte sich eine Megacity, die erst um 600 v. Chr. von Babylon in ihrer Größe übertroffen wurde. Um die Ausgrabungsstätten zu schützen, braucht man für die Besichtigung von Uruk aber eine Sondergenehmigung und wird auf dem riesigen Gelände von einem bewaffneten Sicherheitsbeamten begleitet. Das ist auch notwendig, weil überall noch antike Scherben liegen, die sonst schnell Liebhaber finden könnten. Archäologen schätzen, dass bisher nur ca. 10% der alten Kulturgüter im Irak ausgegraben wurden.

Die nächste archäologische Stätte entlang unserer Route ist die Stadt Ur mit den Resten einer Stufenpyramide, eine sogenannte Zikkurat. In Ur stehen neben dieser Pyramide die Überreste mehrerer alter Tempel und Wohnhäuser. Teilweise wurden die Gebäude von den Irakern bereits restauriert. Bei Ausgrabungen wurde auch ein reicher Schatz an Lehmtäfelchen gefunden, die Steuerquittungen und weiteren Schriftverkehr enthielten. So gab die Entzifferung dieser Zeugnisse viele Geheimnisse der antiken sumerischen Kultur und des Alltagslebens preis. Auch Königsgräber wurden hier ausgegraben.

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Auf Wiedersehen Irak

Wir verlassen das Land mit vielen neuen persönlichen Eindrücken, die weder ein Museum noch eine mediale Dokumentation in dieser Weise vermitteln könnte. Für uns steht fest, dass der Kulturtourismus im Irak ein großes Entwicklungspotenzial hat, vorausgesetzt die politische Lage bleibt in der Zukunft halbwegs stabil.

Auf unserer 1.800 Kilometer langen Rundreise haben wir uns in dem Land keine Sekunde unsicher gefühlt. Die Offenheit, Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Iraker sind einfach überwältigend. Die Freude darüber, dass man das Land besucht und der Irak von der übrigen Weltgemeinschaft nicht vergessen wird, begegnet uns immer wieder. Positiv überrascht sind wir, dass es fast flächendeckend Internet gibt, die Autobahnen gut ausgebaut sind und wir uns in großen Städten über Geldautomaten mit US-Dollar versorgen können. Das Alltagsleben erscheint uns entgegen unseren Erwartungen auch in Bezug auf die Rechte von Frauen sehr liberal zu sein. Bis auf wenige Ausnahmen haben wir im Irak aus Sicherheitsgründen auf freies Campen verzichtet. Bei Außentemperaturen von über 40 Grad war in den Städten ein Hotelzimmer mit Klimaanlage ohnehin eine gute Wahl. Allerdings sollte man die eigenen Ansprüche an Hotelstandards etwas zurückschrauben. Wie auch in anderen vergleichbaren Ländern üblich, sind wir mit unserem Auto nicht bei Dunkelheit unterwegs gewesen.

Nach den vielen Ausschreitungen und erbitterten Machtkämpfen im letzten Jahr wurde Ende Oktober 2022 mit der Wahl von Al-Sudani zum Präsidenten ein wichtiger Schritt zu mehr Stabilität im Irak gemacht. Es ist sein Ziel, die Wirtschaft zu stärken sowie die Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Wir hoffen, dass es ihm gelingt, denn wir haben viele junge, engagierte Leute getroffen, die das Land wieder aufbauen wollen. Immerhin sind 80% der Bevölkerung unter 30 Jahre alt. Leider haben uns aber auch gut ausgebildete Akademiker gesagt, dass sie nicht an eine Zukunft des Landes glauben und schnellstmöglich das Land verlassen möchten.

Mit diesem Bericht wollen wir alle Fernreisenden mit dem eigenen Fahrzeug auf dem Weg auf die Arabische Halbinsel ermutigen, den Irak nicht nur für den schnellen Transit zu durchqueren. Die herzlichen Menschen und die Kulturschätze des Landes haben uns absolut fasziniert und wir werden mit Sicherheit wiederkommen!

Streetart mit Friedensbotschaft, Bagdad
Streetart mit Friedensbotschaft, Bagdad