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Über den Himalaja nach Tibet (April 2007)

Wie schon während unserer ersten Reise im Jahr 2002 über die Seidenstraße, führt uns der Weg von Nepal über den Himalaja-Hauptkamm auf das Hochplateau von Tibet. Dieses Mal soll es nicht 3000 Kilometer am Himalaja entlang bis nach Kashgar gehen, sondern wir wollen Tibet auf dem kürzesten Weg queren, um den Hauptkreuzungspunkt der nördlichen und südlichen Seidenstraße in Dunhuang zu erreichen. Von hier werden wir durch den sogenannten Hexi-Korridor über die alten Karawanenwege weiter östlich in die ehemalige Kaiserstadt Xi´an fahren, die als Beginn der Seidenstraße gilt und u.a. durch die Terrakotta-Armee weltberühmt wurde.

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Für China waren umfangreiche Vorbereitung erforderlich. Schließlich ist dort das Individualreisen mit einem ausländischen Fahrzeug per Gesetz verboten. Mit Unterstützung einer Spezialreiseagentur in China haben wir erfolgreich diese Hürden umschifft und etliche Genehmigungen, Versicherungen, chinesische Führerscheine sowie ein chinesisches Kfz Kennzeichen beantragt. Ein tagesgenauer Reiseplan für 29 Tage wurde für die chinesischen Sicherheitsbehörden aufgestellt, dessen Einhaltung von einem ständigen Begleiter in unserem Auto überwacht wird. Drei Monate mussten wir warten, bis alle Genehmigungen für fünf chinesische Provinzen erteilt waren.

Um die astronomischen Gebühren für unsere „Minigruppe“ in Maßen zu halten, haben wir uns zuvor mit Heidi und Lutz schon in Indien verabredet, China gemeinsam zu durchqueren. Ihr Terrier Anja hat den Papierkram zwar zusätzlich verkompliziert, dennoch wollen wir den kleinen Hund im Team nicht missen. Anja sieht genauso aus wie der Terrier Dash des berühmten Seidenstraßen-Forscher Aurel Stein (1862 bis 1943), was ihr kurzerhand den gleichen historischen Zweitnamen einbringt.


Bild: Gruppenbild mit Hund

Ein wichtiger Teil unserer Vorbereitungen für Tibet ist das Höhentraining. Schließlich führt uns der Weg von Nepal aus in zwei bis drei Tagen auf 5050 Meter (Lalung La) und 5220 Meter (Tsuo La), was ohne Akklimatisierung mit großer Sicherheit zur gefährlichen Höhenkrankheit führt. Wir verbringen deshalb drei Wochen auf einer Wanderung im Langtanggebiet an der tibetischen Grenze, wo uns heftige Neuschneefälle überraschen und unseren (zugegeben sehr frühen) Abreisetermin über die hohen Pässe Tibets in Frage stellt.


Bild: Tibet in Sicht


Bild: Tor nach Tibet

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Zum Glück können wir wie geplant am 4. April 2007 ohne große Probleme die nepalisch/chinesische Grenze überqueren. Nach der sehr angenehmen, legeren nepalischen Grenzabfertigung finden wir uns auf der anderen Seite der sogenannten Freundschaftsbrücke in einem sehr streng wirkenden unpersönlichen Abfertigungskomplex wieder, der den Charme einer Grenzkontrollstelle an der ehemaligen deutsch/deutschen Grenze hat. Bevor wir überhaupt von der Brücke rollen dürfen, wird unsere Körpertemperatur gemessen. Ein Zeichen, dass China die Vogelgrippe inzwischen ernst nimmt. Die zweite Überraschung ist unser Begleiter, der weiblichen Geschlechts ist.


Bild: Eispassage


Bild: Dach der Welt 1


Bild: Dach der Welt 2

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Nach einer mit drei Stunden „etwas“ überlangen Mittagspause der Grenzbeamten dürfen wir uns endlich auf das Dach der Welt steil nach oben „schrauben“. Uns erwarten nach einigen Eispassagen die endlosen Weiten Tibets mit einer durchschnittlichen Höhe von über 4000 Metern. Gleißende Helligkeit und ein trockener, eiskalter Wind machen das Ganze sehr ungemütlich. Unser Dieselmotor beschwert sich über die große Höhe und den schlechten nepalischen Kraftstoff mit einer langen schwarzen Rauchfahne, geringer Leistung und einem Geräusch, das eher an einen Rasenmäher erinnert. Immerhin liegen knapp 2000 Kilometer in Tibet vor uns. Sehr zu unserem Erstaunen verwandelt sich der holprige Jeeppiste nach Tingri in eine astreine neue Teerstraße, die bis nach Lhasa führt.


Bild: Tibetisches Plateau


Bild: Neue Straßen


Bild: Gegenverkehr mit 1 PS

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Viele alte Festungs- und Klosterruinen säumen den Weg dieser ehemaligen Karawanenwege. Nicht etwa die Chinesen sind für die Zerstörung der Festungs- und Klosterbauten wie bei Shegar verantwortlich, sondern nepalische Eroberer im 15. Jhdt.


Bild: Crystal Fort


Bild: Shegar

Inzwischen hat uns unsere Begleiterin offenbart, dass wir unser Auto beim chinesischen „TÜV“ vorführen müssen, um die Kfz-Kennzeichen zu erhalten. Die nächste Möglichkeit ist hierfür in Shigatse - allerdings liegt das Wochenende vor uns und alle Behörden haben geschlossen. Wir beschließen, die Wartezeit in Sakya, knapp 20 Kilometer von der Hauptroute entfernt, zu verbringen. Immerhin war Sakya vom 11. bis zum 13 Jhdt. die bestimmende politische Macht in Tibet, deren Einfluss bis nach Spiti (Indien) und Nepal reichte. Die Gelehrten aus Sakya unterrichteten sogar die mongolischen Herrscher im Buddhismus. Als „Gegenleistung“ traten die Mongolen als weltliche Schutzherren auf. Dies war übrigens die Zeit, als Marco Polo 17 Jahre am chinesischen Kaiserhof verbrachte. Erst mit der Gründung des Gelbmützenordens der Dalai Lamas (Gelugpa) verlor Sakya an Bedeutung.

Bei der Besichtigung der Klosteranlage in Sakya werden wir von der Sicherheitspolizei aufgegriffen, weil dieser Ort nicht explizit in unserer Reiseplanung aufgelistet ist und wir hierfür eine spezielle Genehmigung benötigen. Man fordert eine Strafzahlung von umgerechnet 200 Euro, was wir nach einer sehr langen, unfreundlichen Diskussion auf 40 Euro herunterhandeln können. Sicherheitsbehörden in China sind leider immer noch sehr intolerant gegenüber Touristen.


Bild: Sakya


Bild: Schikane

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Am Montag Morgen stehen wir dann sofort bei der Kfz-Prüfstelle in Shigatse auf dem Hof. Alle Prüfgeräte sind computergesteuert, was uns von Beginn an einige Probleme bereitet. Die programmierten Fahrzeugprofile entsprechen leider nicht unserem voll beladenen Toyota, so dass wir bei der Prüfung durchfallen. Das Ergebnis wird uns mit dem berühmten chinesischen Lächeln kurz vor der Mittagspause mitgeteilt. Wenn es bei diesem Testat bleiben sollte, ist unsere China Durchquerung schlagartig beendet. Man gibt uns nach der Mittagspause (drei Stunden später !!) eine letzte Chance. In der Zwischenzeit entladen wir unser Auto im Hotel nahezu komplett, um das chinesische „Autoidealgewicht“ zu erreichen. Beim zweiten Anlauf klappt es dann und wir bekommen endlich das ersehnte chinesische Kennzeichen ausgehändigt. Die insgesamt zwei verlorenen Reisetage schmerzen bei der ohnehin knappen Reiseplanung sehr.


Bild: Chinesische HU

Nach all den weniger erfreulichen Erfahrungen, können wir uns jetzt endlich den Sehenswürdigkeiten entlang unserer Route widmen. Die riesigen großen Klosternanlagen erscheinen uns komplett im neuen Glanz. Seit unserem letzten Besuch vor fünf Jahren sind enorme Anstrengungen unternommen worden, die Gebäude zu renovieren und die Heiligtümer zu restaurieren.


Bild: Heilige Figuren 1


Bild: Heilige Figuren 2

Überall spüren wir eine sehr friedliche Stimmung und sehen sehr viele Pilger, die ihre Opfergaben und Geldspenden abgeben. Der „neue“ Reichtum der tibetischen Klöster nach der Kulturrevolution (1966 – 1976) ist unübersehbar und viele Räume wirken eher wie der Geldspeicher von Dagobert Duck.


Bild: Shigatse


Bild: Kloster Ganden


Bild: Klosterbank


Bild: Klosterleben

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Auf dem Weg nach Lhasa überraschen uns heftige Schneefälle, so dass wir Ostern in einer winterlichen Traumlandschaft erleben dürfen. Zum Glück ist diese weiße Pracht nicht von Dauer und die Überquerung des Karo La (-Passes) über 5010 Meter verläuft problemlos. Eine weitere Überraschung sind die unzähligen Neubauten und Baustellen von Wohnhäusern im tibetischen Stil. Die chinesische Regierung stellt diese sehr schönen Häuser allen (!) Einwohnern Tibets nahezu kostenlos zur Verfügung. Außerdem wird ganz aktiv in alle Arten von Infrastruktur wie Straßenbau, Stromversorgung, Bahnlinien investiert und das Telekommunikationsnetz (Mobile, Internet,...) hat hier eine Qualität, wie wir sie letztmalig in Europa erlebt haben.


Bild: Ostern bei Neuschnee


Bild: Häuser für Alle

In Lhasa angekommen, führt uns der Weg zunächst in die Altstadt und zum Potala-Palast, der bis 1959 Sitz des 14. Dalai Lama war. Dieser im 17 Jhdt. fertiggestellte Bau enthält über 1.000 Räume, 10.000 Kapellen und 20.000 Statuen. Rings um den Palast wurden inzwischen alle chinesischen Zweckbauten abgerissen und durch eine sehr schöne Parklandschaft ersetzt. Selbst der Kampfjet auf dem Vorplatz passte wohl nicht mehr zur neuen innenpolitischen Entwicklung in der Tibetfrage.


Bild: Potala


Bild: Rad der Lehre

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In Sichtweite des Potala-Palastes liegt der Jokhang, der als höchstverehrter Tempel der Tibeter gilt. Inzwischen ist er ebenfalls komplett renoviert und das Hauptziel buddhistischer Pilger, die in einem ständigen Strom im Uhrzeigersinn um die heilige Stätte herumziehen und sich vor dem Eingang niederwerfen.


Bild: Pilger

Lhasa hat in den letzten Jahren ebenso wie andere tibetische Städte auch ein zweites, sehr modernes Gesicht bekommen. Die Tibeter und Chinesen leben zunehmend in einem deutlich sichtbaren Wohlstand. Auf den Straßen fahren viele teure Autos und die Einkaufszentren sind mit zahlungskräftigen Kunden sehr gut gefüllt. Boutiquen wie Pierre Cardin und Kosmetik von Clinique bis Lancome sind keine Seltenheit.


Bild: Boomendes Lhasa


Bild: Glaspaläste


Bild: Einkaufstempel


Bild: Avonberatung

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Das passt nun leider ganz und gar nicht zu dem bei uns zuhause vermittelten einseitigen Tibet-Bild. Wir selbst haben leider auch bei unserem zweiten Besuch keinen „wirklichen Draht“ zu den Tibetern gefunden, denn ihre Verschlossenheit und ihre Eigenarten wirken auf uns eher abweisend. Diesen Eindruck teilen wir mit sehr vielen westlichen Tibetreisenden, die mit einer ganz anderen Erwartung das Land besuchen und dann oft enttäuscht sind. Trotzdem ist Tibet für uns immer noch ein ganz besonderes Reiseziel, das wir nicht missen möchten, denn die grandiose Natur und die tiefe Religiosität der Menschen sind auch diesmal wieder sehr bewegend.

Von Lhasa aus geht es dann für uns geradewegs über die unendlichen Weiten des tibetischen Plateaus in Richtung Norden nach Golmud und Dunhuang. Unser ständiger Begleiter ist die neue Eisenbahnstrecke, die in diesem unwägbaren Gelände zwischen 4000 und 5000 Metern mit Sicherheit zu den technischen Wundern der Neuzeit gehört und zu einem sprunghaften Anstieg der Tibetbesucher geführt hat.


Bild: Neue Eisenbahn


Bild: Sand und Eis


Bild: Hohe Wüste


Bild: Sandsturm auf 4000 Metern


Bild: Richtung Norden