Kräfte sammeln in Usbekistan (Mai 2006)
Seit Beginn unserer Reise Anfang März 2006 haben wir schon über 15.000 Kilometer hinter uns gelassen, und wir nähern uns jetzt Gebieten, die wir bei unserer ersten Reise im Jahr 2002 noch nicht besucht haben. Uns ist klar, dass die nächsten Reiseabschnitte in das „Herz der Seidenstraße“ durch Tadschikistan und Afghanistan für uns und unser Auto große Herausforderungen mit sich bringen werden. Der sogenannte „Pamir Highway“ mit seinen unbefestigten Abschnitten und Pässen über 4300 Metern wird es sicher in sich haben. Im Moment kann uns auch noch niemand sagen, ob die Wege nach dem langen Winter schon befahrbar sind. Wir werden sehen ...
Da kommt uns eine Pause in der Oase Buchara gerade recht. Diese Stadt an der Seidenstraße mit den türkisen Kuppeln, den Minaretten und Medresen (islamische Hochschulen), den Kuppelbazaren und Karawansereien sowie den schmalen Altstadtgassen hat nichts von ihrem Flair verloren und ist für uns der Inbegriff der Märchen aus „1001 Nacht“. Das über Jahrhunderte gewachsene und vielfältige Kunsthandwerk können wir an vielen Stellen der Altstadt wiedererleben.
Wir genießen die Stimmung am Lab-e Haus, dem ehemalig wichtigsten Handelsplatz der Stadt Buchara. Seinen Namen verdankt dieser architektonisch sehr schöne Platz dem Wasserbecken (haus), das 1620 als Wasserreservoir angelegt wurde. Heute stehen am Ufer (lab) dieses kleinen Sees mächtige Maulbeerbäume und spenden Schatten. Hier kreisen die Wasserpfeifen und die Geschichten. Ein schöner Platz zum Verweilen.
Hier treffen wir auch Shavkat, der uns von seiner Seidenstraßenexpedition erzählt. Er begleitete 1996 eine Kamelkarawane, die für 14 Monate von China aus bis nach Istanbul unterwegs war. So haben wir erst einmal genug Gesprächsstoff für den Abend. Da er in den höchsten Tönen von seinem Heimatort Derbent schwärmt, beschließen wir spontan, dort einige Tage zu verbringen. Per Telefon werden wir beim Bürgermeister von Derbent, das 250 Kilometer südlich von Buchara entfernt in einer wunderschönen Berglandschaft liegt und bei der Familie von Shavkat angekündigt. Nach dem sehr herzlichen Familienbesuch und dem Kennenlernen des 3000 Seelen-Dorfes, wo gerade das jährliche Schulabschlussfest stattfindet, möchten wir aber auch noch die Berglandschaft näher erkunden und fahren entlang einer wunderschönen Schlucht in ein ehemaliges Pionierlager. Uns erwartet eine unberührte Natur, klare Quellen, steile Bergwände und ein reißender Gebirgsfluss.
Bild Schulfest
Bild Gastfamilie
Ganz besonders interessiert uns die im Moment laufende Fütterung der Seidenraupen mit den Blättern des Maulbeerbaumes. In ca. 10 Tagen werden sich die Raupen verpuppen und wie seit vielen hundert Jahren den „Rohstoff“ für die Seidenherstellung liefern. Ein Kokon bringt ca. 800 – 1000 Meter Seidenfaden. Welche Mengen an Seidenraupen im Moment bei den Bauern in besonders beheizten Räumen „zu Gast“ sind, kann man bei einer jährlichen Seidenproduktion von 10.000 Tonnen allein in Usbekistan kaum ermessen. Jedenfalls haben die Maulbeerbäume entlang der Straßen kaum noch Blätter.
Bild Maulbeerblätter
Bild Raupenfütterung
Schweren Herzens nehmen wir von unserer Gastfamilie Abschied und fahren Richtung Termez an die usbekisch-afghanische Grenze. Am Flughafen in Termez, wo die Bundeswehr stationiert ist, übergeben wir rechtzeitig vor der FIFA Weltmeisterschaft einen ganz besonderen Gruß der deutschen Nationalmannschaft für die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan: Ein Trikot mit den Originalunterschriften der Spieler und einer persönlichen Widmung des DFB Präsidenten Theo Zwannziger wird mit einem der nächsten Versorgungsflüge nach Afghanistan gebracht. Rechtzeitig zur WM kann es dann hoffentlich im Mannschaftskasino einen Ehrenplatz erhalten. Für eine persönliche Übergabe des Trikots im 100 Kilometer entfernten Kunduz reicht uns die Zeit nicht mehr, weil die Friendship-Brücke zwischen Usbekistan und Afghanistan für Zivilisten geschlossen ist. Für diesen kurzen Weg werden wir einen Umweg von 1000 Kilometer über Tadschikistan fahren müssen. Und außerdem steht noch unser Besuch im Wakhan-Korridor bei den Gebirgskirgisen zur Übergabe der Post aus Ulupamir an. Das Trikot nimmt für den letzten Abschnitt den sicheren Luftweg.
Nach einigen „Logistiktagen“ in Samarkand und dem obligatorischen Besichtigungsprogramm auf den Spuren Timurs, der Samarkand im 14. Jht als Hauptstadt seines Reiches und Zentrum für Wirtschaft und Wissenschaft geprägt hat, geht es weiter in Richtung Tadschikistan, dass bis vor wenigen Jahren noch wegen des blutigen Bürgerkrieges für uns verschlossen war.
Bild Die Karawane zieht weiter