Im Herzen der Seidenstraße
Juli 2014
Nach den Hindernissen der letzten Etappen erreichen wir jetzt den Iran und Zentralasien – das Herz der Seidenstraße. Die Länder Iran, Turkmenistan und Usbekistan haben wir auf unseren letzten Reisen in den Jahren 2002 und 2006 zwar schon besucht, aber wir sind sicher, dass es hier noch viel Neues zu entdecken gibt. Es wird auch sehr spannend sein, die Veränderungen in dieser Region seit unseren letzten Besuchen zu erleben. Uns ist bewusst, dass wir im Hochsommer in den Wüsten Zentralasiens von der Hitze regelrecht erschlagen werden. Aber bei unserer Routenwahl mussten wir die Regenzeit in Thailand genauso berücksichtigen wie die hohen Pässe in Kirgisien und Pakistan, die im Herbst und Winter geschlossen sind. Und irgendwo müssen wir dann Kompromisse machen.
Unser erstes Ziel ist das wirklich gastfreundliche Land Iran, wo wir erst einmal unsere Freunde Lidia und Hassan in Teheran besuchen. Hassan betreibt dort seit einigen Jahren sehr erfolgreich die Eisdiele San Marco mit absolut leckerem italienischen Eis. Wenn wir mit unserem Toyota vor seinem Laden stehen, dann steigt der Umsatz sicher, denn Andreas wird nicht müde die vielen Fragen der Passanten zu beantworten. Im Gegenzug wollen uns die Iraner dann immer einladen. Leider müssen wir ganz viele Einladung ausschlagen, da unsere Zeit im Iran durch die Visa und unseren Reiseplan begrenzt ist. Unser besonderer Dank gilt an dieser Stelle Lidia und Hassan, bei denen wir in Teheran wohnen durften sowie Mitra, die uns mit der leckeren persischen Küche verwöhnt hat. Und von Anette und Daniel haben wir noch wertvolle Tipps für unsere Tour durch den Iran bekommen. Aber auch das Public Viewing in der Deutschen Botschaft zum WM-Spiel Deutschland-USA werden wir sicher noch lange in Erinnerung behalten. Während der WM war es auch der Deutschen Botschaft nicht möglich, die Fußballspiele über einen deutschen Sender zu zeigen, da das ZDF- und ARD- Programm aus lizenzrechtlichen Gründen für vier Wochen nicht über Satellit gesendet wurde. So sehen die Gäste des Botschafters das Spiel notgedrungen über einen Schweizer Satellitenkanal. Wahrscheinlich hat sich bei den Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten niemand darüber Gedanken gemacht, dass diese kommerziell getriebene Maßnahme die Menschen im Ausland für viele Wochen von der allgemeinen deutschen Berichterstattung weit über die WM-Berichte hinaus abgeschnitten hat.
Um der Hitze der Großstadt zu entfliehen, entscheiden wir uns, nach einigen Tagen in die Berge zu fahren. Mit einer Gruppe von iranischen Off-Roadfahrern geht es von Teheran aus für einen Tag in die Damavand-Region. Der Damavand ist mit 5610 Meter der höchste Berg im Iran. Gerade mal 80 Kilometer sind wir aus Teheran raus und stehen in über 3000 Metern Höhe in einer ganz anderen Welt. Hier leben noch Hirten mit ihren Tieren, als wäre die Zeit stehengeblieben, während in der 16 Mio. Metropole Teheran mittlerweile doppelstöckige Autobahnen gebaut wurden, um dem Verkehr Herr zu werden. Wir kommen in den Bergen am Damavand noch an Sinterterrassen, farbenprächtigen Blumenwiesen und türkisblauen Bergseen vorbei bevor wir trotz Ramadan ein reichhaltiges Picknick noch vor Sonnenuntergang erleben. Man erzählt uns, dass sich im Iran nur 10 Prozent der Einwohner tatsächlich an die islamische Fastenzeit halten. Viele Iraner nutzen diese Zeit für Ausflüge in die nähere Umgebung und machen wie wir Picknick, denn wer reist, der muss gemäß Koran nicht fasten.
Unser nächstes Ziel ist das Zagros-Gebirge im Südwesten des Irans. Mittlerweile sind die Temperaturen auf über 43°C im Schatten gestiegen. Das im Iran obligatorische Kopftuch und der langärmelige Mantel sind für Ute schon sehr schweißtreibend. Über gut ausgebaute Straßen und Autobahnen erreichen wir die Stadt Isfahan, die Seele Irans. Wie schon 2002 begeistern uns hier die vielen historischen Brücken mit ihren Arkaden über den Zayandeh-Rud (den ewigen Fluss) und die grünen Uferpromenaden, der riesige Meidan-e-Imam, die Imam-Moschee und der große Basar. Zum absoluten Highlight gehört in Isfahan sicher die Übernachtung in der ehemaligen königlichen Karawanserei.
Im Zagros-Gebirge mit den schneebedeckten 4000-Meter hohen Bergen besuchen wir das alte Bergdorf Abyaneh, dessen rotbraune Lehmziegelhäuser sich in Stufen am Hang entlangziehen. Die Frauen tragen hier alle Kopftücher, die mit Rosen bedruckt sind und die Männer laufen in weiten Pluderhosen herum.
Entlang des Zayanderud wird intensiv Landwirtschaft betrieben und die Kirschen, Pfirsiche und Melonen schmecken um diese Jahreszeit natürlich köstlich. In dem Dorf Hafshejan treffen wir dann noch auf einen Steinmetz, der uns ein ganz besonderes Geschenk anfertigt. Auf einem Stein graviert er den Schriftzug „Seidenstraße“ in persischer Sprache und überreicht uns dieses Stück ganz stolz.
Die ehemaligen Städte an der Seidenstraße wie Yadz oder Bam sowie die historischen Ruinen von Persepolis hatten wir 2002 schon besucht. Wegen der hohen Temperaturen wollen wir aber nicht weiter in Richtung Süden fahren, sondern durchqueren die Salzwüste Dasht-e-Kavir nach Norden, um die Gebirgsregionen am Kaspischen Meer zu erreichen. Dabei stoßen wir immer wieder auf die Ruinen von Karawansereien und verlassenen Oasen. Uns faszinieren diese Karawansereien, obwohl wir schon so viele gesehen haben. Alle 40 Kilometer entlang der Handelsrouten der Seidenstraße gab es diese sogenannten „Kamel-Motels“, die nicht nur ein Umschlagplatz für Waren aller Art, sondern auch eine Stätte der Begegnung und des Austausches von Informationen und Neuigkeiten waren. Aber auch Pilger und Missionare kamen hierher. Es muss damals ein buntes Treiben gewesen sein, von dem heute nur noch Ruinen im Staub und Sand übrig geblieben sind. Auch wenn es für uns unvorstellbar und fast lebensfeindlich wirkt, so treffen wir hier in der Wüste immer wieder auf Menschen mit ihren Tierherden. In den Wüstendörfern wird das wertvolle Wasser seit Jahrhunderten in unterirdischen Wasserspeichern gesammelt und über Windtürme gekühlt. Sozusagen eine „antike Klimaanlage“. Wir finden in der Wüste zwar ein schönes Camp, werden aber in der Nacht von einem Sandsturm heimgesucht, der auch durch die Ritzen unseres Dachzeltes kommt und uns von oben bis unten einpudert.
Nur 32 Kilometer nördlich von der Stadt Robat-e-Posht Badam stoßen wir auf ein Areal, das an die gescheiterte Befreiung der US-Botschaftsgeiseln in Teheran von 1979 erinnert. Diese Aktion war damals von den US-Militärs für zwei Tage geplant und scheiterte hier in der Dasht-e-Kavir schon in der ersten Nacht aufgrund eines Sandsturms, als einer der Helikopter mit einem der Hercules-Flugzeuge kollidierte.
Was das Verhältnis zwischen dem Iran und der USA angeht, so haben wir das Gefühl, dass sich eine Besserung einstellt. Die Hassparolen an der Mauer des US-Botschaftsgebäudes in Teheran sind vor Kurzen übergestrichen und nicht mehr neu beschmiert worden. Das ist sicherlich kein Zufall, sondern ein positives Signal von höchster politischer Stelle. Man kann nur hoffen, dass beide Seiten einen Weg in Frieden finden. Für den Ernstfall werden die umstrittenen Urananreicherungsanlagen wie z. B. bei Nas Abad immer noch mit vielen Luftabwehrraketen und Flugabwehrkanonen beschützt. Unsere Straße führt ganz dicht an den Militäranlagen vorbei und wir vermuten hinter dieser „Militärschau“ eher eine Machtdemonstration für die eigene Bevölkerung. Auf Fotos müssen wir an dieser Stelle verzichten.
Und was viele vergessen; es besteht immer noch ein Handelsembargo gegen den Iran. Ironischerweise gilt dieses Embargo gerade nicht für Coca Cola, denn dieses Getränk wird sogar mit offizieller Lizenz im Iran hergestellt. Recycelt werden die vielen Plastikflaschen übrigens oft auf sehr fantasievolle Art.
Unsere letzte Station im Iran ist die Region Golestan im Nordosten des Iran. Die Straßen durch die Wüste sind unvergleichlich und wir werden uns noch oft an diesen stoßdämpferschonen Untergrund erinnern. Bei den Dieselpreisen von ca. 10 Cent pro Liter können wir auch richtig Gas geben. In der Oase Garmeh treffen wir nach 10 Wochen dann erstmals auf Reisende, die ebenfalls mit einem Auto für längere Zeit unterwegs sind.
Nach so viel Hitze, Sand und Staub besuchen wir den grünen Nationalpark in Golestan, nachdem wir bei der Ecolodge - trotz Voranmeldung - vor verschlossener Tür standen. Von dort ist es nur ein Katzensprung in die Turkmenshara. Die Gegend mit den durch Erosion gebildeten Sandhügeln ist einmalig und hier befindet sich auch das Grab von Khaled Nabi, einem Vorgänger des Propheten Mohammed. Aus der vormoslemischen Zeit sind auf den Bergrücken viele Steinstelen zu finden, deren Ursprung noch nicht geklärt ist. Unsere letzte Station im Iran ist die Pferdefarm der Amerikanerin (!) Louise Ferouz. Hier waren wir vor sieben Jahren und hatten mit Louise viele interessante Gespräche aus der Sicht einer im Iran lebenden Amerikanerin. Schon damals war sie von ihrer Krankheit gezeichnet, der sie leider 2008 erlag. Wir kommen an diesen Ort zurück, um das Grab dieser von uns sehr geschätzten Persönlichkeit zu besuchen. Leider ist von der einstigen Größe ihrer Pferdezuchtfarm nicht mehr viel übrig geblieben. Wir werden von den verbliebenen Mitarbeitern sehr herzlich aufgenommen und campen zwei Tage in dieser wunderschönen Umgebung.
GalerieWie schon bei unseren vier vorangegangenen Iranbesuchen verlassen wir das Land mit sehr vielen positiven Eindrücken. Die Freundlichkeit der Menschen war wieder überwältigend und wir hatten zu keiner Zeit ein Gefühl der Unsicherheit und campen kann man hier überall. Zum Glück verstehen immer mehr Menschen, dass wir von unseren Medien ein höchst unvollständiges Iran-Bild vermittelt bekommen.
Unsere weitere Reiseroute sieht eine schnelle Durchquerung Turkmenistans vor. Weil wir die Guidepflicht für Touristen umgehen wollen, haben wir ein fünftägiges Transitvisum beantragt. Leider sehen die strikten Visaregeln eine taggenaue Einreise vor, was unsere Flexibilität im Zeitplan etwas einschränkt. Wir haben den sehr kleinen Grenzübergang bei in Marz-e-Pol in der Nähe von Golestan gewählt, wo eigentlich nur LKWs die Grenze queren. Unser Fahrzeug wird zunächst komplett geröntgt und anschließend sehr penibel von vier Beamten untersucht. Zuvor werden wir noch von einem Geheimdienstoffizier in „lockerer“ Gesprächsatmosphäre zu unserem Privatleben und den Reiseplänen befragt. Warum soll es uns besser gehen, als den historischen Seidenstraßen-Reisenden wie Sven Hedin oder Aurel Stein, die in ihren Reiseberichten über ähnliche Schikanen berichtet haben.
Nach dieser besonderen Einstimmung zur Begrüßung sind wir gespannt, ob sich das Land nach dem Tod des Alleinherrschers Turkmenbashi im Jahr 2006 verändert hat. Inzwischen ist sein ehemaliger Zahnarzt Gurbanguly Berdymukhamedov zum Präsidenten „gewählt“ worden. Und mit dem neuen Mann an der Spitze wurden auch die vielen Plakate des alten Präsidenten, mit denen man an jeder Stelle konfrontiert wurde, abgenommen. Der neue Präsident ist nur noch an öffentlichen Gebäuden abgebildet oder posiert wie in Zeiten des sozialistischen Realismus u. a. vor einem Mähdrescher. Die Geldscheine mit dem Konterfei des alten Präsidenten wurden nach seinem Tod aus dem Verkehr gezogen, so dass heute eigentlich nur noch die vielen vergoldeten Statuen und die gigantischen Bauten inklusive der Wasserfontänen an die Turkmenbashi-Ära erinnern. Geblieben ist allerdings die sogenannte Ruhnama, ein „koranähnliches“ Buch, in dem Turkmenbashi noch zu Lebzeiten seine teilweise sehr skurrilen Anweisungen für das Alltagsleben aller Turkmenen niedergeschrieben hat. Inzwischen findet man im Land eine absolut gleichgeschaltete Generation von jungen Erwachsenen, die mit diesem Buch aufgewachsen sind, alle Ferse auswendig lernen mussten und täglich danach zu leben haben. Uns fallen bei dieser Gelegenheit mindestens zwei Diktatoren ein, die Ähnliches - zum Glück nur kurzzeitig - praktiziert haben.
Die Hauptstadt Ashgabat ist in den letzten Jahren extrem gewachsen, wobei die neuen weißen Häuser sehr steril auf uns wirken. Wir sind uns nicht sicher, ob in diesen riesigen Wohnblocks wirklich Leute wohnen, denn alles sieht in dem neuen Stadtteil sehr menschenleer aus. Auf den Straßen sind einzig die Leute, die die Stadt sauber halten und dafür sorgen, dass die unzähligen Wasserfontänen funktionieren. Nicht zu vergessen die Polizei, die an jeder Ecke steht und alles bewacht. Diesem Staat entgeht nichts, was den Vorteil hat, dass wir uns um unsere Sicherheit keine Gedanken machen müssen.
Im krassen Gegensatz zu der Verschwendung von Ressourcen in der Hauptstadt, steht das Leben im übrigen Teil des Landes. So werden Unmengen von Wasser aus dem Amu Darja, einem Zufluss des Aralsees abgezweigt, um die landwirtschaftliche Bewässerung der Steppe zu gewährleisten. Zur Zeit wird an einem künstlichen See in der Karakum-Wüste gebaut, der eine Wassermenge von 150 Milliarden Kubikmetern Wasser fassen soll. Die ökologischen Auswirkungen dieser Wasserprojekte sind heute schon durch eine Verkarstung und Versalzung der Böden erkennbar.
Und während man sich in Ashgabat sogar beleuchtete Fahrbahnstreifen leistet, sind die Straßen im Rest des Landes eine einzige Katastrophe bzw. gar nicht mehr vorhanden. Da kann man froh sein, wenn man mit einem Geländewagen unterwegs ist. Aber die schlechten Pisten haben auch ihren Preis, denn in der Karakum-Wüste müssen wir erst einmal unseren ausgeschlagen Stabilisator reparieren. Glücklicherweise hatten wir ein passendes Ersatzteil dabei.
Auf den Hauptrouten werden einige neue Straßen gebaut, die sich aber schon kurz nach der Fertigstellung wieder „auflösen“. Wie man sehr gute und haltbare Straßen in Wüstenlandschaften baut, könnten sich die Turkmenen in Usbekistan oder im Iran mal anschauen.
Kulturhistorisch hat Turkmenistan viel zu bieten, zudem über die alten Karawanenstädte Mary und Merv die Routen der Seidenstraße weiter nach Osten verliefen. Diese Ruinen und Ausgrabungsstätten haben wir aber schon auf unseren letzten Reisen ausgiebig besichtigt. Wegen der knappen Transitzeit von fünf Tagen beschränken wir uns diesmal neben dem Besuch der Hauptstadt Ashgabat auf die Durchquerung der Karakum-Wüste im Westen Turkmenistans. Sie soll die viertgrößte Wüste der Welt sein. Dabei schlagen wir unser erstes Camp direkt an den verlassenen Ruinen der 5000 Jahre alten Stadt Dekhistan auf.
Den Weg mitten in der Wüste finden wir mit Hilfe unseres alten GPS-Punktes von 2002. Drei große Siedlungsperioden erlebte diese Stadt (3000 v. Chr. – 100 n. Chr., 300 – 800 n. Chr. und im Mittelalter). Als das lebenswichtige Wasser aufgrund der Abholzung der Wälder versiegte, wurde die Landschaft immer trockener. Heute kann man in Dekhistan noch die Ruinen von den beiden Minaretten und das Eingangsportal einer Medrese sehen. In den letzten Jahren sind einige weitere Gebäude unter der bis zu 4 Meter Sand- und Lehmschicht freigelegt worden. Der größte Teil liegt aber immer noch unter dem Wüstensand.
Ein weiteres Highlight bei der knapp 700 Kilometer langen Wüstendurchquerung ist der brennende Gaskrater bei Darwaza. Das eigentliche Wüstendorf Darwaza, wo wir 2002 noch campen konnten, wurde wegen intensiver Gasbohrungen kurzerhand von der Regierung weiter in die Wüste verlegt. Auf der Suche nach Erdgas wurden hier in den siebziger Jahren Explorationsarbeiten ausgeführt. Das Gestein an der Bohrstelle war sehr instabil und stürzte ein, so dass ein Krater von 200 Meter Durchmesser und 50 Meter Tiefe entstand. Das Gas wurde von einem Hirten entzündet, da seine Tiere in der Nähe des austretenden Gases regelmäßig an einer Gasvergiftung starben. Seit dieser Krater brennt, trauen sich die Tiere nicht mehr hierher. Nachts ist der Gaskrater ein Naturschauspiel der ganz besonderen Art. Er wird von den Einheimischen auch als „Tor zur Hölle“ beschrieben. Wir finden den Vergleich mit einer riesigen „Feuerzangenbowle“ aber passender. Das Camp im Windschatten von diesem Kater bei Vollmond und sternenklarer Nacht bleibt für uns ein unvergessliches Erlebnis.
Auf der Nordseite der Karakum-Wüste erreichen wir die antike Stadt Konya Urgensch. Von Weitem ist das alte Minarett zu sehen, das ehemals den Karawanen als Leuchtturm diente. Leider ist von der alten Blütezeit nur noch ein großes Trümmerfeld übrig geblieben. Viele einheimische Pilger besuchen die berühmten Mausoleen und praktizieren dabei noch Rituale aus der vorislamischen Zeit. Vor der Einreise nach Usbekistan füllen wir auf dem sehr ursprünglichen Basar noch unsere Vorräte auf.
Obwohl wir das einzige Fahrzeug am Grenzübergang sind, gestaltet sich die Ausreise aus Turkmenistan nicht mehr ganz so anstrengend wie die Einreise. Auf der Suche nach Waffen, Drogen und Medikamenten öffnen und durchwühlen wieder drei Beamte (Zoll, Polizei, Geheimdienst) zwei Stunden alle Kisten und Taschen. Bei der Einreise auf der usbekischen Seite wiederholt sich das Prozedere in ähnlicher Intensität. Was für ein Aufwand ! Die vielen Lippenbekenntnisse der Tourismusminister in Zentralasien zur Wiederbelebung der „Großen Seidenstraße“ haben sich anscheinend noch nicht bei den jeweiligen Sicherheitsbehörden herumgesprochen. Die grenzüberschreitenden Routen der Seidenstraße sind in den Ländern Turkmenistan und Usbekistan im Jahr 2014 kein bisschen einfacher, als bei unseren Reisen in den Jahren 2002 und 2006.
Unser erstes Ziel in Usbekistan ist die alte Karawanenstadt Chiva, die für uns der Inbegriff von „Tausend und einer Nacht“ ist. Die Stadt mit der großen Stadtmauer, einem Palast, Minaretten, Mausoleen und Medresen ist ein lebendiges Freilichtmuseum, wie wir es sonst noch nirgends gesehen haben. Hier leben auch noch über 5000 Usbeken in ihren traditionellen Lehmhäusern. Im örtlichen Museum entdecken wir auch eine kleine Seidenstraßen-Kuriosität: Geldscheine aus Seide, die gewaschen werden konnten. Ob der Begriff „Geldwäsche“ hier seinen Ursprung hat, können wir aber nicht sagen.
Vier Tage verbringen wir in dieser wirklich sehenswerten Stadt, die für uns den eigentlichen Zauber der alten Karawanenroute verkörpert, bevor es 430 Kilometer weiter durch die Kyzylkum-Wüste nach Buchara geht. Unterwegs sehen wir wieder viele fragwürdige Bewässerungsprojekte, um Baumwolle anzubauen, die nicht nur viel Wasser zum Wachstum braucht, sondern auch zur Erntezeit mit toxischem Entlaubungsmittel besprüht wird. All das trägt zu vielen ökologischen Problemen in Usbekistan bei. Nicht zuletzt ist das Leitungswasser in Usbekistan mittlerweile ungenießbar. Viele Speisen und Getränke werden von den Einheimischen mit diesem verschmutzten Wasser hergestellt, was auch für Touristen sehr gefährlich ist.
Von der Entwicklung in Buchara sind wir sehr enttäuscht. Der zentrale Platz, Labi Houz, mit den Medresen rund um einen Teich mit alten Maulbeerbäumen war ein Platz der Begegnung für die Einheimischen. Hier wurde auf den gemütlichen Sitzbänken, den sogenannten Taptshan, Tee getrunken und Domino gespielt. Die Altstadt rund um den Labi Houz musste vielen Hotelneubauten weichen und der Platz selbst ist zu einer Ansammlung touristischer Restaurants geworden. Aber der Knaller ist die Hüpfburg an der Ecke dieses historischen Platzes, übrigens Unesco Weltkulturerbe und die vielen Elektroautos für Kinder. Für die zunehmend usbekischen Touristen ist das sicher attraktiv, aber von dem Flair der alten Stadt an der Seidenstraße hat Buchara viel verloren.
Wir verlassen Buchara sehr schnell und sind gespannt, wie sich unser nächstes Ziel, die Stadt Samarkand, in den letzten Jahren entwickelt hat. Bei der Weiterreise durch Usbekistan wird die Dieselversorgung zunehmend zum Problem. Viele Fahrzeuge sind auf Gasbetrieb umgestellt worden und die konventionellen Tankstellen sind oft geschlossen.
Diesel gibt es, wenn überhaupt, nur für Firmenfahrzeuge gegen Rechnung. Wenn der Tank leer ist, bleibt einem nur die Möglichkeit, aus Turkmenistan geschmuggelten Diesel oder offiziellen usbekischen Diesel an den ganz wenigen Tankstellen teuer zu kaufen (ca. 1,10 €/Liter Diesel). Wir wussten um diese Situation und hatten unseren Zusatztank noch in Turkmenistan für 10 Cent/Liter vollgetankt. Mit den insgesamt 210 Litern können wir ungefähr 1500 Kilometer fahren.
Samarkand ist nur 260 Kilometer von Buchara entfernt und eigentlich schnell zu erreichen, wären da nicht die vielen Polizeikontrollen und Pass-Registrierungen. Hinzu kommt noch ein chaotischer Fahrstil der Einheimischen, besonders der Bus- und Taxifahrer. Samarkand ist für seine riesigen Architekturdenkmäler bekannt, die fast alle zu Zeiten des grausamen Eroberers Timur Lenk Ende des 14. Jh. entstanden. Von der Größe und Einmaligkeit hat die Stadt seit unserem letzten Besuch im Jahr 2006 aber nichts verloren. So ist inzwischen auch die Moschee Bibi Xanon nach einem langjährigen Wiederaufbau fertiggestellt. Wir sind nicht nur von der Größe, sondern auch von den leuchtend blauen und türkisfarbenen Fliesenmosaiken fasziniert.
Von Samarkand aus fahren wir über den Kamchik-Pass (2267m) in das fruchtbare Ferganatal, das in den letzten Jahren durch ständige Unruhen zwischen Usbeken und Kirgisien Schlagzeilen gemacht hat. Religionskonflikte, die u.a. von Drittstaaten gesteuert werden, tun ihr übriges. Hinzu kommen auf dieser Hauptschmuggelroute die permanenten Auseinandersetzungen zwischen Drogenhändlern, der Mafia und den Sicherheitskräften, die als Antwort etliche Checkpoints eingerichtet haben und an den Straßen mit schwer bewaffneten Soldaten eine deutliche Präsenz zeigen. In diesem Umfeld verzichten wir auf längere Rundtouren und Besichtigungen. Bei der alten Handelsstadt Osh queren wir die Grenze nach Kirgisien. Nach einer wieder sehr ausgiebigen Kontrolle unseres Fahrzeugs auf usbekischer Seite reisen wir schnell, problemlos und ohne Visum (!) nach Kirgisien ein. Wie lange das so bleiben wird, ist sehr fraglich, da Kirgisien wahrscheinlich im Oktober (nach Weißrussland und Kasachstan) der russischen Zollunion beitreten wird.
In Kirgisien haben wir in den nächsten drei Wochen längere Trekkingtouren im Tian Shan (Himmelsgebirge) geplant. Das ist notwendig, um uns für die hohen Gebirgspässe in China und Pakistan vorzubereiten. Nur so können wir der gefährlichen Höhenkrankheit vorbeugen, die uns z. B. am Kunjerab Pass mit Höhen von bis zu 4.600 Metern bei einem schnellen Anstieg mit dem Auto droht. Zunächst begeistern uns in Kirgisien die grüne Natur und gemäßigte Temperaturen. Was für ein Kontrast zu den 45 Grad in staubigen Wüsten vor noch einigen Tagen.