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Tea Horse Road / Südliche Seidenstraße

China - Dezember 2014

Tea Horse Road
Tea Horse Road

Mitte Dezember verlassen wir Myanmar in Richtung China. In der Provinz Yunnan im Südwesten Chinas fahren wir, wie schon lange nicht mehr, auf stoßdämpferfreundlichen, gut ausgebauten Schnellstraßen und Autobahnen vom tropischen Regenwald im Süden bis hoch zum tibetischen Plateau. Und dabei folgen wir einer alten Handelsstraße, der „Tea Horse Road“, die von den Chinesen auch als „südliche Seidenstraße“ bezeichnet wird.

Route China / Yunnan
Route China / Yunnan

Die Ausreise aus Myanmar am Grenzübergang bei Muse/Ruli gestaltet sich etwas kompliziert. Man ist auf ausländische Fahrzeuge außerhalb des "kleinen Grenzverkehrs" zwischen den beiden Ländern nicht vorbereitet. Zunächst müssen wir über den internationalen Übergang für Fußgänger ausreisen und erhalten auf der anderen Seite die chinesischen Einreisestempel in unsere Pässe. Mit dem Auto müssen wir einen naheliegenden anderen Übergang für den "kleinen Grenzverkehr“ nutzen. Nun ist guter Rat teuer, denn unser Auto steht noch in Myanmar und wir sind schon ganz offiziell in China eingereist. Aber die Beamten auf beiden Seiten der Grenze lassen mit sich verhandeln und so dürfen wir ohne offizielle Einreise wieder nach Myanmar zurückkehren, um nach einer Abfertigung unseres Carnet de Passage beim Myanmar-Zoll gemeinsam mit unserem Toyota „nochmals“ nach China einzureisen. Überhaupt haben wir den Eindruck, dass man an dieser Grenze erst ganz wenige Fernreisende mit eigenem Fahrzeug gesehen hat.

Auf der chinesischen Seite erwartet uns schon unser Guide, der uns für die nächsten 13 Tage durch die Region Yunnan begleiten wird.

Wie aus dem Dornröschenschlaf werden wir innerhalb weniger Meter von Myanmar in eine sehr nüchterne, aufgeräumte und etwas überorganisierte, mit Kameras überwachte chinesische Großstadt gebeamt. In China müssen wir den uns schon bekannten Papierkram erledigen. Wir bekommen ein temporäres Nummernschild und einen neuen chinesischen Führerschein. Die technische Prüfung des Autos übernimmt die Verkehrspolizei. Es geht hier aber wesentlich lockerer zu als im Sommer bei der Einreise in die (Unruhe-) Provinz Xinjiang und die Beamten machen lieber Fotos von unserem Auto, anstatt dieses genau zu inspizieren. Dennoch verlieren wir durch diese Prozedur zu viel Zeit und stehen bei der chinesischen Zollabfertigung vor verschlossenen Toren. Wie wir es schon aus China gewohnt sind, werden die Öffnungszeiten von Behörden sehr großzügig gehandhabt. Die strengen Regeln gelten anscheinend nur für die Bürger und nicht für die Staatsdiener. Wir müssen uns in der zollfreien Zone eine Unterkunft suchen. Auch am nächsten Tag ist zwei Stunden nach den offiziellen Öffnungszeiten immer noch kein Beamter für die Abfertigung in Sicht. Nach langem Warten finden wir jemanden, der einen Stempel hat. Da der Kollege für die Fahrzeugdurchsuchung immer noch nicht da ist, lässt man uns ohne weitere Kontrollen passieren. Willkommen in China!

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Die chinesische Provinz Yunnan ist so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen und eine der beliebtesten Reiseziele der Chinesen selbst. Jährlich kommen 32 Millionen chinesische Touristen und gerade einmal 1 Millionen Ausländer nach Yunnan. Nirgends in China ist die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt sowie der Landschaften so groß wie in dieser Region. Schneebedeckte Berge mit dem 6740 Meter hohen Kawakarpo im Norden und subtropische bis tropische Vegetation mit wilden Elefanten im Süden; nur Wüsten und das Meer gibt es hier nicht. Große Flüsse wie Mekong, Yangtze und Saluen fließen durch Yunnan und haben tiefe Schluchten gebildet. Die welttiefste Schlucht, die Tigersprungschlucht, könnte bald unter einem riesigen Stausee liegen, wenn mit dem Bau eines Wasserkraftwerks begonnen wird. China macht hier in Yunnan wie auch in anderen Teilen des Landes eine extrem schnelle infrastrukturelle Entwicklung durch. Siedlungen sind in den letzten Jahren zu Millionenstädten und Großstädte zu Mega-Metropolen mit dem entsprechenden Energiebedarf gewachsen.

Seit Juni 2014 hat China mit dem Bau eines Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge „rund um die Seidenstraße“ in Südostasien begonnen. Der erste Abschnitt soll in nur 18 Monaten von Yunnan über Myanmar bis nach Thailand, Malaysia und Singapur fertiggestellt werden. Der Anschluss von Laos Kambodscha und Vietnam ist ebenfalls kurzfristig vorgesehen. Der künftige Netzplan sieht auch eine 14.000 Kilometer lange Verbindung zwischen Singapur und Istanbul und möglicherweise bis nach Europa und Afrika vor. Die „neue Seidenstraße“ wird von den Chinesen nicht nur auf der Straße vorangetrieben.

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Unsere erste Station ist die Stadt Dali am Erhai See mit Blick auf die 4000 Meter hohen Chang Shan Berge. Am Südufer liegt die Neustadt mit gigantischen Hochhäusern, Banken, Einkaufszentren und Supermärkten. Die rekonstruierte Altstadt hingegen befindet sich am Westufer des Sees und hat eine mehr als 3000 Jahre alte Geschichte. Verschiedene, nicht chinesische Stämme wie die Dai, Bai, Yi und Naxi siedelten sich rund um den Erhai See an. Heute gehören noch 67 Prozent der Einwohner von Dali der Bai-Minderheit an. In keiner Provinz Chinas leben so viele Minderheiten wie in Yunnan und nur 50 Prozent der Bevölkerung sind Han-Chinesen. Insgesamt gibt es 56 verschiedenen Minderheiten in Yunnan - davon 26 mit über 5000 Angehörigen. Die Menschen tragen auch heute noch ihre traditionelle Kleidung, wobei in Touristenzentren damit auch gerne Geld verdient wird.

937 n. Chr. entwickelte sich das Königreich Dali zum kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Zentrum und war damals ein wichtiger Knotenpunkt der südlichen Seidenstraße. Heute hat man die Stadtmauer und die Häuser in der Altstadt wieder rekonstruiert und einen Shop neben dem anderen angelegt. Hier schieben sich auch in der Nebensaison Hunderte von chinesischen Touristengruppen durch die Gassen.

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In den Chang Shan Bergen etwas abseits der Hauptstraße liegt das kleine Dorf Shaxi - die einzige noch erhaltene Karawanenstadt an der 2500 Jahre alten „Tea Horse Road“. Die „Tea Horse Road“ ist ein Handelsweg zwischen den Provinzen Yunnan und Sichuan im Osten und Indien und Tibet im Westen. Dieser Handelsweg wird von den Chinesen auch als „südliche Seidenstraße“ bezeichnet. Die Karawanen mussten einst mehr als 4000 Meter hohe Gebirgskämme und mehrere große Flüsse überwinden, um Tee und Seide aus China und Pferde und Salz aus Tibet zu transportieren. Es fand aber auch ein kultureller Austausch zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen am Rande des tibetischen Plateaus statt. Auf unserer weiteren Reise Richtung Norden sehen wir dann auch noch die typischen Signaltürme, die zu Zeiten der Seidenstraße der Kommunikation und dem Schutz der Karawanen dienten. Nachts verständigte man sich zwischen den einzelnen Türmen mittels Feuer- und tagsüber über Rauchsignale.

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In Shaxi genießen wir die verträumte Atmosphäre mit den typisch weiß getünchten Häusern und den feinen schwarzen-weiß Wandmalereien. In Shaxi scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

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Auf einer guten Schnellstraße erreichen wir auf fast 2500 Metern die Millionen Stadt Lijiang. 1996 hat ein Erdbeben vor allem die Neustadt zerstört. Die Altstadt mit den traditionellen Häusern blieb zum Glück unzerstört. Hier treffen wir auf Yi- und Naxi-Minderheiten. Die wiederaufgebaute bunte, laute Neustadt mit den Hochhäusern, den Edelshops und den vielen Touristen zeigt uns, wie Chinesen Urlaub machen: shoppen, essen gehen, Selfies machen und abends in einer Karaoke Bar abhängen. Auch wenn in allen Restaurants und Garküchen die Türen und Fenster sperrangelweit offen stehen und die Räume bei Außentemperaturen um Null Grad nicht geheizt werden, so ist das Essen dort sehr lecker. Unser Favorit ist sicher der Hot Pot. Wie bei unserem Fondue wird in einem Feuertopf Fleisch und Gemüse in einer Brühe gar gekocht. 

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Nicht weit von Lijiang liegt das Dorf Baisha, wo wir traditionelle Handwerksbetriebe besuchen, wie eine Batikfärberei und eine Seidenstickerei, deren Kunstwerke gemalten Bildern gleichen.

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In dem Verwaltungsbezirk Deqen, der an Tibet grenzt, erreichen wir die Stadt Shangri-La, die aber selbst wenig paradiesisch ist. Doch die tibetisch geprägte Region ist landschaftlich einmalig ! Allein der Name Shangri-La hat den Tourismus in dieser abgelegenen Region ziemlich angekurbelt. Nicht zuletzt soll die Region Vorbild für das Shangri-La gewesen sein, das in dem Romanklassiker „Der verlorene Horizont“ von James Hilton beschrieben wird. Allerdings hat ein großes Feuer vor einem Jahr ein Drittel der Altstadt zerstört. Mit Hochdruck ist man gerade dabei alles wieder originalgetreu aufzubauen. Touristen gibt es nicht viele, denn auf 3200 Metern ist es im Dezember empfindlich kühl. Öfen oder Heizungen in Restaurants, Hotels oder Pensionen sind auch hier Fehlanzeige.

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Zwischen tibetischen Klöstern und Gebetsmühlen versuchen wir zwei Tage vor Weihnachten ein wenig Tanne, goldene Kugeln und Deko zu bekommen, was wirklich eine Herausforderung ist. Ausgestattet mit einem Kiefernzweig, Tannenzapfen, drei Äpfeln, Goldkugeln und einer Flasche Rotwein fahren wir über einen 4200 Meter hohen Pass in das kleine Dorf Cizhong, wo wir Weihnachten feiern wollen. Französische Missionare haben hier 1921 eine katholische Kirche gebaut und viele Tibeter zum christlichen Glauben bekehrt. Am Heiligen Abend findet in der St. Paul Kirche eine Messe statt und es ist schon ein ungewöhnlicher Anblick, wenn in einer Kirche Tibeter in ihrer Landessprache singen, beten und das Abendmahl einnehmen. Immerhin haben die Missionare damals gleich die Weinstöcke für den Messwein mitgebracht, die heute noch in dem Dorf gepflegt werden.

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Doch leider ist unser Weihnachtsfest durch einen Verkehrsunfall überschattet. Auf dem Weg nach Deqin stoßen wir auf einer eisglatten Passstraße in 4200 Metern frontal mit einem chinesischen Auto zusammen. Sicher haben wir einen sehr agilen Schutzengel, denn es ist zum Glück keinem etwas ernsthaft passiert. Hauptgrund für den Unfall sind die permanent wassergekühlten Bremsen der chinesischen LKWs, die in kürzester Zeit jeweils über 1000 Liter Wasser auf den Straßen verteilen. Eine trockene Straße verwandelt sich im Winter in kürzester Zeit und innerhalb von wenigen Metern zu einer blanken Eispiste. Mehr dazu unter der Rubrik „Pleiten, Pech und Pannen“.

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Auf dem Rückweg fahren wir in südlicher Richtung am Mekong entlang durch eine wirklich schöne Gebirgslandschaft. Wir haben durch unseren Unfall und die Schadensregulierung zwei Tage verloren und müssen deshalb etwas „Gas geben“. Wir fahren zügig wieder nach Dali und weiter nach Kunming, die Hauptstadt von Yunnan.

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Jurassic Park
Jurassic Park

In einem Tal bei Kunming hat man 1938 die weltweit größte Ansammlung von kompletten Dinosaurierfossilien gefunden. Besonders rätselhaft bei diesen Fossilien ist, dass alle Köpfe der 1000 bisher ausgegrabenen Saurierskelette einheitlich nach Osten ausgerichtet waren. Die Ausgrabungsstätte wurde in ein sehr sehenswertes Museum mit großem Erlebnispark integriert.

Durch den Urwald nach Laos
Durch den Urwald nach Laos

Auch wenn die Reise durch Yunnan durch unseren Verkehrsunfall überschattet wurde, werden wir uns doch künftig auch an die vielen positiven Erlebnisse erinnern. Wie schon in den letzten drei China-Reiseberichten geschrieben, bleibt China für Reisende mit eigenem Fahrzeug ein sehr schwieriges Reiseland. Die Bürokratie hat sich seit 2002 leider nicht reduziert und die Organisationskosten (Genehmigungen, chinesischer Führerschein, Guide, ….) sind von einem hohen Niveau ausgehend immer noch erheblich gestiegen. Viele Reisende haben mit ihrem obligatorischen Guide große Probleme – egal ob sprachlich, wegen der fehlenden Motivation oder einfach nur wegen Unwissenheit. Nach den beiden eher mittelmäßigen bis schlechten Guides bei unseren letzten Chinadurchquerungen haben wir dieses Mal mit unserem Guide Steven sehr viel Glück. Dennoch werden wir es uns genau überlegen, ob wir noch einmal nach China fahren. Individuelles Autoreisen ist und bleibt bei den chinesischen Behörden unerwünscht und das spürt man leider überall. 

Bei der Ausreise nach Laos geht alles reibungslos von statten. Lediglich die telefonische Freigabe durch die Polizei an die chinesischen Grenzbeamten dauert einige Stunden, was wahrscheinlich mit unserem Verkehrsunfall zusammenhängt. Endlich können wir nach dem Grenzübertritt in Laos wieder frei, selbstbestimmt und flexibel weiterreisen. Im ersten Camp nach der Grenze verbringen wir gleich acht Tage und genießen die wiedergewonnene Reisefreiheit. 

Zeichen für Happiness
Zeichen für Happiness